Review: Shadow Warrior 2

Das Reboot von Shadow Warrior von 2013 hat mich doch recht überrascht: einen gradliniger Arcade-Shooter hatte ich von den Machern von Hard Reset erwartet. Auch der starke Fokus auf das Nahkampfsystem, welches nicht nur eine Notlösung ist wie in vielen anderen Shootern kam nicht so unerwartet, auch im Vorbild hatte man einen Nahkampfwaffe und da man einen (möchtegern) Ninja spielt bietet sich das auch irgendwie an. Was mich aber überrascht hat war die Story, die war deutlich tiefgründier ausfiel als ich es erwartet hatte.
Für den Nachfolger haben die Entwickler von Flying Wild Hog aber nicht einfach das selbe Spiel mit homöopathischen Änderungen gemacht, vor allem haben sie eine große Portition Borderlands reingemischt: randomisierte Level, Waffenupgrades und Elementareffekte sind die großen Neuerung. Da ich Borderlands sehr mag hört sich das ja schonmal nicht schlecht an, sofern es richtig umgesetzt wird.

Screenshot: In den in Neonlichtern getauchten Abschnitten spielt die Engine ihre stärken aus.
In den in Neonlichtern getauchten Abschnitten spielt die Engine ihre stärken aus.

Technisch hatte ich recht hohe Erwartungen: die Spiele von Flying Wild Hog waren alle technisch auf einem sehr hohen Niveau, mit klaren Fokus auf dem PC, ohne Kompromisse. Und auch hier brilliert Shadow Warrior 2, die Grafik ist auf dem aktuellen Stand, hat keine heute gerne gesehenen Comiclooks und brennt ein Effektfeuerwerk ab wie ich es selten gesehen habe. Allerdings ist es nicht so überfordernt wie in Battleborn, größtenteils weiß man sofort, woher die Effekte kommen und was sie bedeuten. Vor allem das Cyberpunk-Szenario mit den dunklen Wänden und den gleißenden Lichtern sieht fantastisch aus. Nicht das die anderen beiden Settings mit einem antiken und modernes Japan bedeutend schlechter aussehen, aber doch nicht ganz so überragend, es fehlen etwas die Highlights. Beim Sound läuft nichts falsch, die Waffensounds krachen ordentlich wie man es erwartet, die Musik wechselt zwischen ruhigen Abschnitten und Puls treibenden Sound in den Kämpfen. Auch bei den Sprechern hält das Spiel das hohe Niveau, alle sind durch die Bank zumindest ordentlich, was aber nur auf die kleinen Nebencharaktere zutrifft, die Hauptpersonen sind alle hochwertig vertont.

Screenshot: Die Effekte der besonderen Waffen können sich sehen lassen.
Die Effekte der besonderen Waffen können sich sehen lassen.

Spielerisch gab es ja einige Neuerungen, aber zuerst ist alles recht gewohnt: Shadow Warrior 2 ist wie der Vorgänger ein Arcade-Shooter der alten Schule: eine große Auswahl an Waffentypen stehen zur Verfügung um den Scharen an Gegnern Herr zu werden. Auch das Nahkampfsystem ist geblieben: zu Beginn ist man mit einem Katana ausgerüstet, welches man durch Einsatz der Bewegungstasten steuern kann: läuft man nach links schwingt das Schwert von rechts nach links, was wichtig ist um Gegner, welche die Nahkampfangriffe blocken zu erledigen. Daneben gibt es auch auch einige andere Nahkampfwaffen, inkl. eines Kettensägen-Katanas für Vorbesteller. Bei den Waffen haben die Entwickler ihrer Kreativität sehr weiten Lauf gelassen, viele der Schießprügel sind alles andere als konservativ: ein Handschuh welcher Energieblitze erzeugt und vor allem gegen Gegnergruppen effektiv ist oder ein anderer welcher einen Feuerstrahl erzeugt. Dazu gibt es noch die Standardauswahl an Pistolen, Schrotflinten und Maschinengewehren, dazu die klassischen Garant- und Raketenwerfer, welche sich in ihren Varianten nur unwesentlich voneinander unterscheiden.

Screenshot: Die beliebten Glückskekse sind wieder mit dabei, aber leider nicht so witzig.
Die beliebten Glückskekse sind wieder mit dabei, aber leider nicht so witzig.

Eine Möglichkeit die Waffen zu individualisieren ist das Upgradesystem: jede Waffe hat drei Slots für Upgrades, welche man recht frei verteilen kann. Neben Upgrades welche die Statistiken der Waffe verbessern (größeres Magazin, schnelleres Nachladen oder einfach mehr Schaden) gibt es Spezialeffekte und -munition, wodurch man u.a. von manchen Waffen zwei Exemplare gleichzeitig benutzten kann, was zwar mehr Schaden macht aber auch einen höheren Munitionsverbrauch und geringere Präzision nach sich zieht. Einen großen Teil machen die Upgardes aus, welche einer Waffen einen Elementarschaden verleihen, von denen es vier gibt: Feuer, Eis, toxisch oder elektrisch. Die haben kleinere Effekte, Feuer und toxisch fügen Gegner über Zeit schaden zu, Eis verlangsamt sie. Dazu können Gegner gegen sie anfällig, resistent oder immun sein, das selbe geht auch für normalen, physisch genannten Schaden. Das ist aber nicht einheitlich wie in Borderlands geregelt, wo z.b. gepanzerte Gegner gegen toxischen Schaden anfällig sind. Die Zusatzattribute der Gegner werden zufällig verteilt, so kann es vorkommen dass in einer Gegnergruppe zwei Gegner der einen gegen einen Elementareffekt anfällig ist während der andere direkt daneben dagegen resistent ist. Das macht die Auswahl der Waffe für die aktuelle Situation recht knifflig macht. Ich hatte dann den Eindruck dass es besser ist eine Waffe zu nehmen, welche einen anderen Effekt hat, was zwar keinen Vorteil bringt aber auch keinen Nachteil. Hat man eine stark gemischte Gruppe wird das Ganze sehr schwer, da es auch noch Attribute die Resistenz gegen normalen Schaden mit sich bringt oder dass sich Gegner über Zeit wieder heilen. Dazu kommt dass die dass die Gegner generell viel aushalten, wodurch sich die Kämpfe teils sehr in die Länge ziehen können.
Das größte Problem am Upgrade System ist dass man mit ihnen quasi zugeschüttet wird. Man findet oft dutzende in jedem Level, welche sich nur an Zahlenwerten unterscheiden, dazu gibt es nur eine wenig brauchbar Vergleichsfunktion. Man ist nach jeder Mission lange damit beschäftigt die Guten vom Müll zu trennen. Und das buchstäblich, das Spiel hat sogar einen Funktion um sie als „Junk“ zu markieren damit man sie beim Händler schneller verkaufen kann. Dazu kann man auch Upgrades beim Händler kaufen oder sie später auch selbst erstellen, aus drei von einer Qualitätsstufe kann man eines eine Stufe höher erstellt. Was dabei aber rauskommt ist komplett zufällig, was das ganze nutzlos macht. Da verkauft man das Zeug lieber und wartet bis was gutes beim Händler verfügbar ist. Aber das ist eigentlich nicht nötig, bei der Masse an Upgrades ist eigentlich immer auch was dabei was verwertbar ist und eine Verbesserung bringt. Da sie auch nicht verbraucht werden kann man ein schlechteres immer noch verkaufen.
Die Level sind nicht prozedural generiert, sind aber auch nicht statisch. Bis auf story-relevante Teile sind sie aus großen Versatzstücken zusammengesetzt. Die Teile an sich sehe sehr gut aus und verheißen einiges an Abwechslung, aber man merkt deutlich die Stellen, an denen sie verbunden sind, was meistens eine Brücke oder ähnliches ist. Leider wirkt dadurch das Leveldesign recht generisch, es fehlt an herausragenden und erinnerungswürdigen Teilen. Spätestens wenn man den selben Abschnitt mehrfach (in einem Durchgang!) gesehen hat verlieren sie das besondere.

Screenshot: Gegner erscheinen schnell mal aus dem Nichts und man wird schnell umringt.
Gegner erscheinen schnell mal aus dem Nichts und man wird schnell umringt..

Die Gegner bieten einiges an Abwechslung, oft an das Setting gebunden: im Neonlicht der Cyberpunk-Abschnitte gibt es viele Roboter und Androiden, im Modernen Japan Yakuza-Schergen in Anzug und Krawatte und im antiken Setting vor allem unterschiedliche Arten von Dämonen. Wobei man manchmal schon größere Gemeinsamkeiten feststellt, die „D.O.L.L.“ genannten Roboter verhalten sich identisch zu den später auftauchenden Akolyten. Die Gegnergruppen sind von sich aus schon bunt durchgemischt, werden es aber meistens noch unabsichtlich im laufe der Kämpfe: da man viel mit Ausweichen beschäftigt ist kommt man gerne mal unabsichtlich an eine weiter Gegnergruppe heran, wo gerne auch mal Gegner aus dem nichts erscheinen (oder sich aus dem Boden ausgraben, läuft aber auf das selbe hinaus), was die Kämpfe noch chaotischer macht. Munition und Healthpacks sind nur in homöopathischen Dosen in den Levels verteilt, erledigte Gegner haben aber einen Chance welche Fallen zu lassen, was man über Skills erhöhen kann. Was mich nervte ist nicht direkt dass die Gegner sehr viele Lebenspunkte haben, sondern dass sie von starken Treffern umgeworfen werden können, aber dabei nicht viele Lebenspunkte verlieren. Da denkt man der Gegner ist erledigt, nur damit er direkt wieder aufsteht.

Screenshot: Schadenszahlen machen deutlich: wurde einer ordentliche Portion Rollenspiel reingekippt. Aber nicht zu viel.
Schadenszahlen machen deutlich: wurde einer ordentliche Portion Rollenspiel reingekippt. Aber nicht zu viel.

Shadow Warrior 2 ist kein Rollenspiel, übernimmt aber das Upgrade-System vom Vorgänger. Statt Erfahrungspunkte sammelt man Karma durch erledigte Gegner, hat man genug gesammelt bekommt man neue Skillpunkte, welche man frei in einzelne Skills verteilen kann. Nach und nach kommen Neue dazu, teilweise kann man sie auch bei Händlern kaufen. Es gibt eine große Bandbreite an Skills, von passiven Fertigkeiten wie eine Selbstheilung über Zeit (wird erst sehr spät verfügbar), die dropchancen von Gegenständen zu erhöhen oder aktive Fähigkeiten zu verbessern. Jeder Skill kann in drei bis fünf Stufen ausgebaut werden, welche auch steigende Kosten für die Upgrades mit sich bringen, aber teils enorme Verbesserungen sind. Schade nur dass das meiste einfach Zahlenwerte verbessert, die Anwendung der Fähigkeiten verändert sich nicht. Auch ein paar wenige aktive Fähigkeiten sind wieder dabei, u.a. eine aktive Selbstheilung und eine Art Energiestoß, welcher Gegner umwirft. Um diese zu nutzten braucht man Chi, welches man langsam passiv regeneriert oder indem man blau Chi-Kristalle einsammelt.
Ich muss zugeben dass ich recht wenig mit dem Nahkampfsystem gespielt habe, vor allem weil Lo Wang recht wenig aushält und Ausweichen trumpf ist. Man ist sehr agil, ein druck auf eine Richtungstaste während man die Dash-Taste gedrückt hält und man macht einen Satz in diese Richtung, was man unbegrenzt oft wiederholen kann. Da die Gegner sehr hart zuschlagen und treffen ist man gerade im Kampf quasi nur damit unterwegs. Kombiniert mit einem Doppelsprung ist man deutlich agiler als in den meisten anderen Spielen. Das ist nicht nur gegen normale Gegner nötig, gerade Bossgegner warten oft mit Flächeneffekten auf welche großen Schaden anrichte und man schnell ausweichen sollte.

Screenshot: Shadow Fury ist die mächtigste Aktive Fähigkeit und nutzt kein Chi wie die anderen sondern Karma, welches nicht automatisch regenriert.
Shadow Fury ist die mächtigste Aktive Fähigkeit und nutzt kein Chi wie die anderen sondern Karma, welches nicht automatisch regenriert.

Auch die Bossgegner sind teils sehr agil und verfügen über einen Dash, was dazu führt dass schweres Gerät wie ein Raketenwerfer recht ineffektiv ist da der Boss dem ersten Schuss ziemlich sicher ausweicht. Hat man mehr im Magazin kann man noch hinterhersetzten, aber der Einsatz von kleinkalibrigeren Waffen war aus meiner Sicht effektiver. Dazu sind ihre Hitboxen nicht die größten, das Treffen an sich ist manchmal schon fast eine Kunst. Hab ich schon erwähnt das Gegner sehr viele Lebenspunkte haben? Ist bei den Bossen nicht anders. Das macht die Kämpfe aber nicht schwer, da deutlich mehr Munition, Healthpacks und Chi-Kristalle droppen als bei normalen Gegnergruppen – so viel dass die Minimap teils regelrecht davon geflutet wird. So sind die Kämpfe nur recht lang, aber nicht übermäßig anspruchsvoll. Dazu kommt dass selbst wenn man zum Respawn gezwungen ist man nicht von vorne anfangen muss, die Bosse regenerieren nur einen Teil ihrer Lebensenergie, wie normale Gegner auch – aber hier fällt es deutlich mehr ins Gewicht. Insgesamt sind die Bosskämpfe aber deutlich Abwechslungsreicher wie im Vorgänger, eines seiner großen Schwächen.

Neu ist ein Multiplayer Modus, nur leider keine Nahkampf-Arena, sondern ein Coop-Modus. Das komplette Spiel kann mit bis zu drei weiteren Mitstreitern gespielt werden, dabei ist das Spiel wenig restriktiv: wie weit man in der Story fortgeschritten ist spielt keine Rolle, es reicht wenn derjenige das Spiel eröffnet welcher am weitesten hinten ist, alle anderen spielen dann von diesem Stand an weiter ohne ihre eigenen Fortschritt zu verlieren. Da die Gegner kein Level kennen sondern sich später vor allem mehr Gegner finden macht das keinen so großen Unterschied wie z.b. in Borderlands 2, wo es ähnlich funktioniert aber dafür die Lebenpunkte der Gegner stark nach oben skaliert.

Screenshot: Es gibt zwar nur wenige, aber dafür auch sehr schräge Charakter wie den Fernseh-Mogul Xing welcher nur noch ein schwebender Kopf ist.
Es gibt zwar nur wenige, aber dafür auch sehr schräge Charakter wie den Fernseh-Mogul Xing welcher nur noch ein schwebender Kopf ist.

Leider wirkt der Modus etwas angetackert: da es keine Klassen gibt und keine Synergien ist es eigentlich egal ob man alleine oder in der Gruppe spielt, die Gegner haben hauptsächlich mehr Lebenspunkte und sollen besseres Loot fallen lassen, letzteres konnte ich aber nicht bestätigen. So macht das gemeinsame spielen schon mehr Spaß als alleine, aber nur weil eben zusammen spielen mehr Spaß macht, nicht weil das Spiel es gut umsetzt. Auch Farbe beim trocknen zusehen macht mit Freunden mehr Spaß als alleine. Dazu kommt dass auch die Bedienung nicht ideal ist: nur der Host kann Quests annehmen und abgeben, alle anderen laufen nur mit. So ist der Koop-Modus zwar eine nette Sache, aber er wirkt wie wenn er erst spät hinzugefügt wurde und viel Potential verschenkt

Screenshot: Kamiko zeigt sich auch hin und wieder mal als Projektion, meistens aber in einem kleinen Fenster.
Kamiko zeigt sich auch hin und wieder mal als Projektion, meistens aber in einem kleinen Fenster.

Ein Punkt der mich beim direkten Vorgänger überrascht hat war die Story: für einen Shooter hatte sie ungewöhnlich viel Tiefgang und natürlich die Sticheleien zwischen Lo Wang und seinem Sidekick Hoji. Das Konzept wurde wieder aufgegriffen, neuer Sidekick ist die Dame Kamiko. Es wird versucht einen ähnliche Spiel wie davor zu erzeugen, aber ich habe meistens dass Gefühl dass die Entwickler zu sehr versuchen das zu replizieren und dabei über das Ziel hinaus schießen. Dazu sind einige der Vorgänge recht vorhersehbar, andere scheinen überhaupt keine Auswirkungen zu haben. Die Story ist zwar gut, erreicht aber nicht die Qualität des Vorgängers. Dazu kommen die Glückskekse, wobei die Sprüche nicht so lustig sind wie früher und viele Zitate beinhalten. Und um Bücher mit zusätzlichen Storyfetzten kommt heute wohl kein Spiel mehr herum, ich habe davon aber kaum welche gelesen, ist nicht so das Spiel dafür. Für einen Durchgang habe ich 16 Stunde gebraucht, inkl. aller Nebenquests, welche durchaus unterhaltsam sind. Das ist ein mehr als ordentlicher Wert für einen Ego-Shooter, teilweise wirkt es aber auch gestreckt durch die teils sehr langen Laufwege und Kämpfe in den Levels bis man mal da ist, wo man eigentlich hin will.

Fazit: Shadow Warrior 2 hinterlässt bei mir gemischte Gefühle: zum einen baut das Spiel auf einer guten Basis auf und sie versuchen nicht nur einfach das selbe Spiel mit minimalen Änderungen noch einmal machen, sondern haben mit den Bordelands-artigen Elementen versucht ein wirklich neues Spiel zu machen, was ich den Entwickler auch hoch anrechne. Das klappt aber leider nicht so gut wie in Gearbox‘ Spiel, gerade bei den Gegnern wirkt es deutlich zufälliger und hat bei mir eher Frust in den Kämpfen erzeugt. Aber trotzdem ist das Spiel ein sehr guter, klassischer Ego-Shooter, der vor allem auf die Beweglichkeit des Helden setzt, was mir sehr gefallen hat.