Review: Spec Ops: The Line

Die Yager Studios in Berlin gehören nicht unbedingt zu den bekanntesten Entwicklern, nicht mal in Deutschland. Ihr Erstlingswerk Yager aus dem Jahr 2003, eine Actionspiel mit futurische Luftkämpfen, war graphisch für die Zeit sehr gut, geärgert hat mich vor allem die über sensible Steuerung (was mich an AquaNox erinnerte, über welches ich auf das Spiel aufmerksam wurde). Es wurde lange Still um das Studio, bis Spec Ops: The Line angekündigt wurde. Wieder ein Actionspiel, aber ein Third-Person-Shooter mit Anti-Kriegsszenario als Gegenentwurf zu den Spiel-gewordenen Action-Testosteron-Filmen ala Call of Duty. Schon kurz nach dem Release fand das Spiel den Weg in meine Steam-Bibliothek, jetzt hab ich mir mal die Zeit genommen, es auch zu spielen.

Screenshot: Ausblick auf eine Sandsturm
Am Boden wüten teils noch heftige Sandstürme, nur ganz oben hat man einen guten Blick

Technisch macht das Spiel wenig falsch: die Unreal Engine 3 als Grafikmotor ist eine solide Basis die das zerstörte Dubai gut in Szene setzt. Dem Setting entsprechend dominieren helle braun bis gelb Töne, aber es gibt auch andere Gebiete, speziell Innenräume sorgen mit ihrem heruntergekommenen Prunk und Protz nicht nur für Abwechslung, sondern einen direkten Gegensatz. Sehr gut gelungen sind die unterschiedlichen Lichtstimmungen, egal ob die gleißende Sonne bei Tag, die beklemmende Einschränkungen der Sicht in einem Sandsturm oder die Nacht, welche nur durch unkontrollierte Feuerstellen beleuchtet werden. Die Animationen, Gestik und Mimik sind solide, wobei man deutlich merkt dass gerade bei letzterem die Statisten teils deutlich den Hauptcharakteren hinterher hinken.
Die Soundeffekte gehen in Ordnung ohne sonderlich herauszustechen, die Sprecher liefern durch die Bank sehr gute Arbeit ab. Besondere Erwähnung verdient die Musik, welche größtenteils aus klassischen Rocksongs besteht welche die Kämpfe untermalen und den Eindruck eines Camps von Wahnsinnigen unterstreicht. Außerhalb dieser läuft leider überhaupt keine Musik und auch andere Geräusche zur Förderung der Atmosphäre fehlen komplett, es dominieren die Dialoge der Protagonisten.

Screenshot: Mitten im Sandsturm
Für einen beklemende Atmosphäre braucht es nur einiges an Sand in der Luft.

Die Steuerung funktioniert auf dem PC gut und orientiert sich am Genre Standard von Epic Games. Auch wenn sie merklich auf Controller ausgelegt ist hat man mit der Tastatur keine Einschränkungen, sofern man mit der deutlich spürbaren Mausbeschleunigung zurecht kommt. Das wechseln zwischen Deckungen geht nicht ganz so leicht von der Hand wie in Mass Effect und einige der Tasten sind anders belegt (z.b. das über eine Mauer springen kombiniert mit Springen), was mir zu Anfang ein paar Probleme bereitet hat.

Screenshot: Kampf ein Wasser-Reservoir
In der Wüste ist Wasser wichtig, man kämpft später im Spiel auch darum.

Das Szenario das Spiels ist schon mal ungewöhnlich: in das von Sandstürmen zerstörte Dubai wird der Spieler mit zwei KI-Kameraden geschickt. Eigentlich war schon vorher ein Bataillon der US-Armee dort, man hat aber schon eine Weile nichts mehr von ihnen gehört und deshalb soll der Spieler in Person des Delta Force Soldaten Martin Walker nach dem rechten sehen. Schon bald wird klar, dass das desertierte 33. Bataillon, welches eigentlich eine Evakuierung leiten sollte, keinen Erfolg hatte. In den Straße herrscht Chaos, Angriffe von bewaffneten Rebellen stehen an der Tagesordnung, Zivilisten rennen kopflos umher (wenn man welche sieht) und die CIA mischt auch noch mit, kurz: er herrscht Krieg.

Screenshot: Graffiti schildern die Lage der Überlebenden.
Graffiti schildern die Lage der Überlebenden.

Das Spiel hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Auswirkungen eines Kriegs ungeschönt darzustellen – und damit hatten sie auch vollen Erfolg. In keinem Spiel wird so schonungslos Gewalt und vor allem ihre Auswirkungen dargestellt. Wo andere Spiele die Kamera wegdrehen oder abblenden hält Spec Ops: The Line voll drauf, es wird nichts verheimlicht. Wichtiger ist aber dass dies nicht spurlos an den beteiligten Personen vorbei geht und vom Spiel ausführlich thematisiert wird, es ist weit weg von einer reinen Gewaltorgie. Und da ist für mich der Kernaspekt der Story: die psychische Entwicklung das Hauptcharakters und wie er mit den Auswirkungen seiner eigenen Entscheidungen umgeht. Vor diese wird der Spieler mehrmals im Spiel gestellt, einen guten Ausweg gibt es nie – man muss meistens zwischen zwei gleichwertigen Übel abwägen. Auswirkungen auf die Story haben die Entscheidungen leider kaum, die ist streng linear und vorgegeben.

Screenshot: Die Entwicklung von Walkers Psyche ist ein zentraler Punkt der Story.
Dies Auswirkungen auf Walkers Psyche werden im Spiel offen gezeigt.

Einige der Storyteile orientieren sich am Roman „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad (Ähnlichkeit zum Namen des Anführers des 33. Bataillons Colonel John Konrad dürfte kein Zufall sein), welcher als „Apocalyse Now“ von Francis Fort Coppola in den Vietnam-Setting adaptiert wurde. Einzelne Personen (wie der Radioman) und das allgemeine Szenario (desertierte Einheit der US-Armee, welche ihr eigenes, kleines Terror-Regime aufgebaut hat) sind übernommen, die Story das Spiels hebt sich aber weit genug davon ab um nicht als komplette Adaption oder gar Kopie zu gelten. Abgesehen von den Entscheidungen bleibt die Story komplett linear und

Screenshot: Ein Deckungsshooter wie er im Buche steht.
Beim Gameplay konservativ ist Spec Ops: The Line ein Deckungsshooter wie er im Buche steht.

Ebenso linear wie die Story ist das Leveldesign: offene Gebiete gibt es keine, selbst die Areale für Kämpfe sind sehr kompakt. Viele Objekte sind für einen Deckungsshooter nicht ungewöhnlich, im Gegensatz zu z.b. Mass Effect erkennt man Kampfareale nicht sofort an ihrem Aufbau. Optisch sind die Levels sehr abwechslungsreich gestaltet, von heruntergekommenen Luxushotels, über Untergrundtunneln hin zu offenen Straßen unter der gleißenden Wüstensonne ist alles dabei. Vom Schwierigkeitsgrad her ist das Spiel kein Zuckerschlecken, allein schon weil man sehr wenige Treffer aushält und gerade später das Leveldesign deutlich gegen den Spieler arbeitet.

Screenshot: Glühender weißer Phosphor
Auch vor dem Einsatz grenzwertigen Mittel wie weißem Phosphor schreckt das Spiel nicht zurück.

So sehr mich das Spiel mit seiner Story und mit den Momenten, in denen es das ganze Ausmaß des Grauens eines Krieges darstellt beeindruckt hat und ich vor allem den Mut der Entwickler so etwas ungewöhnliches und riskantes umzusetzten dafür schätze, so konservativ sind sie beim Gameplay vorgegangen. Hier findet man einen Third-Person-Cover-Shooter wie er im Buche steht. Unterschiede zum offensichtlichen Vorbild aus dem Hause Epic Games gibt es kaum, selbst die Standard-Tastenbelegung und die Handhabung der Granaten ist gleich. Es fühlt sich nur etwas leichtgewichtiger an und die Gegner sind meistens schon mit ein oder zwei Treffer erledigt – was aber auch für den Spieler gilt, eine hüfthohe Mauer oder ähnliches wird schnell zum besten Freund. Bei den Waffen ist zumindest optisch Abwechslung angesagt, da man nur sehr wenig Munition mitnehmen kann und sich keinen Waffen ihre Munition teilen muss man sehr oft durchwechseln. Das meiste sind Maschinengewehre- und Pistolen garniert mit einem Scharfschützengewehr und einer Schrotflinte, die sich nur an kleineren Parametern unterscheiden aber keine komplett unterschiedliche Charakteristik aufweisen, was zwar realistisch scheint, aber die Abwechslung bleibt dabei auf der Strecke. Da man nur zwei Waffen gleichzeitig tragen kann sind die Optionen für den Spieler in den Gefechten stark einschränkt, hier bricht der Fokus auf Konsolen wieder durch.
Man darf mich nicht falsch verstehen mit meiner Kritik: Das Gameplay ist zwar Standard aber es macht auch nichts Grundlegend falsch. Es gibt aber ein paar Elemente, die mich gestört haben und den sonst sehr guten Eindruck des Spiel schmälern: Achievments über laufende Abschusszahlen ploppen laufend auf wie in BioShock Infinite, was die Immersion stört und mich vor allem nervt. Im Kampf wird Präzision nicht nur durch die wenige Munition und die geringe Anzahl an Treffern, welche die Gegner aushalten belohnt, sondern auch ganz explizit im Spiel: Kopftreffer führen zu einer kurzen Zeitlupeneffekt, was in einem überdrehten Spiel wie BulletStorm seine Berechtigung hat, hier aber deplaziert wirkt.

Fazit: Ich bin hier ein wenig hin- und hergerissen: auf der einen Seite freue ich mich über den Mut der Entwickler (und vor allem des Publishers 2k) ein Spiel mit einer so ungewöhnlichen Ausrichtung zu veröffentlichen, welches das Grauen des Krieges thematisiert und so ungeschönt darstellt. Andererseits bleibt Spec Ops: The Line beim Gameplay so Standard wie nur irgendwie möglich, immerhin seht es nicht im Weg. So bleibt das Spiel für mich eines der wenig, welches bei mir einen Nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat – wenn auch nur in den Zwischensequenzen. Wer sich vor der drastischen, aber nicht übertrieben Gewaltdarstellung nicht scheut empfehle ich trotzdem den Weg in die Spielwelt zu wagen.