Review: Gris

Screenshot: Gris

Die Parallelen von Gris zu Journey sind unverkennbar: ein beeindruckender Artstyle und Musik, künstlerisch sicherlich herausragend. Das größte Unterschied: alles ist in 2D statt 3D und nicht alles ist gefühlt eine Wüste. Aber passt auch das Gameplay? Und kann es mit dem großen Vorbild mithalten? Und wie steht es mit der Story um die namens gebende Protagonistin? Ich mir das gleich zweimal angeschaut, zuerst auf der Switch, dann auf dem PC, wobei dort ebenfalls mit dem Switch Pro Controller.

Inhalt

Atemberaubend schön: Grafik und Sound

Screenshot: Gris in seiner vollen Pracht
Gris in seiner vollen Pracht

Bei der Grafik lässt sich nur eines sagen: Gris sieht atemberaubend schön aus.
Die Gründer des Entwicklers Nomada Studio sind zwei ehemalige Mitarbeiter von Ubisoft Barcelona und der spanische Künstler Conrad Roset, dessen Stil maßgeblich die Optik des Spiels bestimmt: egal ob die Aquarell-Farben, das Design der Hauptfigur mit ihren extrem dünnen Armen und weitem Mantel, die kantigen Kreaturen in den ersten beiden Umgebungen oder die wachsenden Pflanzen später im Spiel – der Stil ist unverkennbar und für mich bisher völlig unbekannt, aber sehr stimmig und einfach schön.
Bei den Umgebungen im Spiel kann man eine Entwicklung mit dem Spielfortschritt erkennen: in der ersten Abschnitten wirkt alles wie eine grau/rote Steinwüste, leer und trist. Im zweiten kommt die Farbe grün dazu und man erkundet einen Wald mit Bäumen mit quadratischen Baumkronen. Besonders gefallen haben mir hier die Parallax-Effekte. Auch im weiteren Spiel kommen nicht nur mehr Farben dazu, alles wirkt lebendiger, durch kleine Details wie Pflanzen und Tiere. Ich kann es kaum in Worte fassen, man muss es eigentlich zumindest in Bewegung gesehen. Dafür haben ich bei Gameplay ein Video eingebunden, aber besser ist es, wenn man es selbst erlebt
Allerdings geht das Spiel mit seiner künstlerischen Gestaltung an ein paar Stellen zu weit: einige Male konnte ich nicht erkennen, ob ich durch eine Wand durch kann, also ob sie solide oder nur Verziehung ist. Oder ob ich auf einer Plattform stehen kann oder nicht. Eigentlich hat das Spiel auch klare Hinweise wie z.b. graue Linien für Plattformen, auf denen man stehen kann. Das hilft nur nichts wenn man sie nicht erkennen kann, speziell wenn die Kamera sehr weit heraus zoomed konnte ich so kleine Details schlicht nicht mehr sehen. Kritisch wird es auf der Switch im Handheld-Modus, durch den kleinen Bildschirm verschwinden die sehr dünnen, allgemein nur wenige Pixel breiten Linien komplett.

Screenshot: Das Spiel gibt nur subtile Hinweise wie es weiter geht, wie mit dieser gespiegelten Ansicht
Das Spiel gibt nur subtile Hinweise wie es weiter geht, wie mit dieser gespiegelten Ansicht

Die Musik steht der Grafik in nichts nach: die ebenfalls aus Barcelona stammenden Gruppe Berlinist hat den Soundtrack zum Spiel komponiert, und der ist einfach fantastisch: insgesamt ist er eher ruhig, da es auch im Spiel nur wenige dramatische Momente gibt – aber auch die sind passend untermalt. Hier ist alles etwas einfacher zu zeigen, man kann u.a. auf der offiziellen Bandcamp Seite der Band probe hören. Soundeffekte im Spiel sind eher spärlich, aber auch die passen. Zumindest ist mir nichts aufgefallen, was irgendwo nicht gepasst hätte.

Solider Puzzleplattformer: das Gameplay


Der Beginn des zweiten Kapitels von Gris

Beim Gameplay wagt Gris nicht so viel ungewöhnliches, kurz gefasst ist es ein Puzzleplattformer.
Es gibt keine richtige Levelenden wie in klassischen Jump&Run-Spielen oder gar eine Oberweltkarte, jedes Level geht fließend in das nächste über. Man kann anhand der sicher verändernden Umgebung erkennen, dass es weiter geht.
Mehrfach im Spiel bekommt man eine neuen Fähigkeit, zuerst eine die nur "Wuchtig" benannt wird – dabei verwandelt sich Gris‘ Mantel in einen Stein, mit dem man z.b. bröckelnde Böden durchbrechen kann. Als nächste gibt es einen Doppelsprung und dann die Fähigkeit, unter Wasser zu tauchen. Den letzten verrate ich aus Spoiler-Gründen besser nicht. Mich hat aber genervt, dass sie nicht im Menü auftaucht und ich per Internet-Suche herausfinden musset, mit welcher Taste sie aktiviert wird – im Spiel wurde mir nur "B" angezeigt, was wohl auf den XBox-Controller bezogen ist. Umbelegen geht somit auch nicht. Immerhin gibt es durch Steam die Möglichkeit, Tasten auf der Tastatur an Buttons auf Controllern zu mappen, so konnte ich auf dem PC mit dem Switch Pro Controller spielen. Man kann es auch mit der Tastatur spielen, da ich das aber nicht gewohnt bin, schließe ich lieber einen Controller an. Auf der Switch gibt es keine andere Möglichkeit, aber da passt die Einblendungen auch. Einstellen kann man in dieser Version aber auch kaum etwas, nur Helligkeit und Lautstärke.

Screenshot: Der zweite Abschnitt endet mit einem ungewöhnlichen Bosskampf
Der zweite Abschnitt endet mit einem ungewöhnlichen Bosskampf

Das Plattforming ist nicht das anspruchsvollste, was ich jemals gespielt habe. Da sich Gris nicht ganz so agil anfühlt wie die Charaktere in ähnlichen Spielen wirkt die Bewegung etwas steif. DAfür ist die Steuerung präzise, bei den Sprüngen kommt es vor allem auf das richtige Timing an. Man muss aber keine langen Sequenzen erneut spielen, wenn man sie nicht auf Anhieb schafft. Allgemein ist das Leveldesign sehr nachsichtig was Fehler an geht, wenn man fällt geht es nicht weit nach unten, hin und wieder gibt es auch kleine Abkürzung zurück nach oben.
Generell ist das Spiel für mich als erfahrenen Jump&Run-Spieler recht einfach, wobei gerade zum Ende hin die Timings teilweise recht knapp werden. Speziell nachdem man Tauchen kann, es gibt einige Stellen, wo man passend aus dem Wasser springen muss. Da es beim Tauchen nicht gleichmäßig, sondern schubweise vorwärts geht, muss ich genau timen, wann ich aus dem Wasser springe.

Generell gibt es keine Tutorials oder ähnliches, man muss fast alles selbst herausfinden. Wobei, wenn man etwas genauer auf die Levelarchitektur achtet wird einem eigentlich alles erklärt, nur gänzlich ohne Worte – wie bei Super Mario Bros. 1. Das ist schon eine ganz große Kunst, andere Spiele klatschen den Spieler einfach mit Texttafeln voll, aber hier wäre das komplett fehl am Platz. Nicht, dass das woanders besser passen würde, aber das ist eine Geschichte für sich. Die Spielzeit fällt mit gerade mal drei Stunden sehr kurz aus, aber ähnliche wie bei Journey wüsste ich nicht, was man noch machen sollte, ohne das Spiel unnötig zu strecken: entweder wiederholt man die selben Elemente immer wieder oder man führt weiter Spielmechaniken ein, aber mir fällt keine ein, die auch wirklich einen Mehrwert bringen würde.

Generell ist Gris aber ein sehr ruhiges und entspannendes Spiel, nicht unähnlich zu seinem offenkundige Vorbild Journey.

War da was? Die Story

Screenshot: Das hinter der schönen Fassade auch noch eine Story steckt wurde mir erst kurz vor Schluss wieder bewusst
Das hinter der schönen Fassade auch noch eine Story steckt wurde mir erst kurz vor Schluss wieder bewusst

Gris hat nicht nur wunderschöne Grafik und solides Gameplay, darunter ist auch eine Story. Wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich sie die meiste Zeit gar nicht wahrgenommen habe. Zwar sieht man am Anfang Statuen von Frauen in verschämten Posen und man trifft auf Gegner in Form eines schwarzen Vogels und eines Aals, was sie aber symbolisieren sollen wurde mir nicht klar.
Erst kurz vor dem Ende, als "Akzeptanz: Fünfte Phase" eingeblendet wurde, hatte ich mich daran erinnert, dass da noch mehr war. Den Rest des Spiels über ist es mir nie wirklich aufgefallen. Nach Abschluss des Spiels kann man mit den im Verlauf erworbenen Fähigkeiten die Level noch einmal spielen, dann werden wohl auch die anderen Texttafel freigeschalten. Das habe ich aber ehrlich gesagt nicht mehr gemacht.
Ich vermute, dass es entweder um Trauerbewältigung oder Depressionen geht. Mit beiden bin ich nie wirklich in Berührung gekommen und weiß entsprechend wenig darüber. Deshalb könnte es sein, dass ich die Hinweise im Spiel schlicht nicht als solche wahrnehme. Vielleicht sind sie auch zu subtil, ich das kann wirklich nicht beurteilen.

Fazit

Screenshot: Die Kamera zoomed teilweise sehr weit heraus
Die Kamera zoomed teilweise sehr weit heraus

Gris ist fast mehr Kunstwerk als Spiel: die Aquarell-Grafik und der fantastische Soundtrack sorgen für eine einzigartige Atmosphäre. Allerdings ist es auch etwas Style-over-Substance, da ich einige male nicht erkennen konnte, ob etwas im Vorder- oder Hintergrund platziert ist. Verstärkt wird das noch durch das starke herauszoomen der Kamera, wodurch ich zwar die sehr schön gestalteten Level in ihrer ganzen Pracht sehen kann – aber gerade auf dem sehr kleinen Bildschirm der Switch im Handheld Modus kaum noch Details erkennen kann.
Das Gameplay als Puzzle-Plattformer ist solide und leistet sich keine Schnitzer, ist aber auch nichts besonderes und für mich allgemein zu einfach. Von der Story kann ich recht wenig mitnehmen, weil sie so stark in den Hintergrund tritt oder so subtil erzählt wird, dass ich sie kaum wahrgenommen habe.
Trotzdem hatte ich viel Spaß mit dem Spiel, in dem ich mich allein an der Optik, Sound und Atmosphäre erfreut habe.