Review: American Arcadia

Screenshot: American Arcadia

2D-Plattformer spiele ich quasi mein ganzes Videospiel-Leben lang, vor allem mit einem italienischen Klempner. Dem Untergerne der Cinematic Platformer war ich aber nie richtig zugetan, die zwar grafisch meist beeindruckend, aber spielerisch eher mager ausfielen. Ich mag Spiele die man auch wirklich spielt, und sich nicht mehr wie ein Film anfühlen.

Bei einem Showcase für neue Videospiele ist mir aber American Arcadia aufgefallen, das aus eben diesem Genre stammt. Das Setting als Flucht des Hauptcharakters aus einer TV-Show, die sein ganzen Leben abbildet, verbunden mit der schicken, reduzierten Grafik mit einem gehörigen Schuss 70er-Jahre-Charm hat es auf meinen Radar befördert. Ende letzten Jahres gab es auch eine Demo (die bis heute zumindest auf Steam verfügbar ist), die mich vollends überzeugt hat. Nur die Zeit zum Spielen hat gefehlt, jetzt habe ich sie mir genommen. Erfahrt in den folgenden Zeilen, wie mir American Arcadia gefallen hast.

Inhalt

Stilsichere Mid-Poly-Grafik: Die Technik

Screenshot: Arcadia ist den 70er Jahren nachempfunden, die kräftigen Farben passen gut zum Mid-Poly-Look des Spiels
Arcadia ist den 70er Jahren nachempfunden, die kräftigen Farben passen gut zum Mid-Poly-Look des Spiels

Bei der Technik setzten die Entwickler von Out of the Blue Games auf die Unreal Engine. Das merkt man aber nur am Optionsmenü, so gut wie niemand anders unterstütz TSR als Upscaling-Technologie, und vor allem nur das. Gebraucht habe ich es aber nicht, wegen des reduzierten Looks sind die Ansprüche des Spiels an die Hardware eher niedrig. Der Grafikstil ist zwar dreidimensional und polygonal, aber nicht fotorealistisch, sondern setzt auf einen reduzierten Stil. Ich würde es nicht als Low-Poly bezeichnen, dafür gibt es noch zu viele Details, zum Beispiel haben die Figuren in den Zwischensequenzen einen Anflug Mimik. Ich würde deshalb den Begriff Mid-Poly verwenden, keine Ahnung, ob den Begriff schon jemand anders verwendet oder ich ihn gerade erfunden habe. Ich weiß das Low-Poly nicht jedermanns Sache ist, genauso wie Pixel-Art ist es eine Stilrichtung, die gefallen kann oder nicht. Bei mir kommt es vor allem auf die Umsetzung an, wie stilsicher ist die Grafik und wie wird sie eingsetzt – alte Spiele sehen nicht wegen, sondern trotz der Einschränkungen gut aus, sie geschickt zu umgehen oder gar nutzen ist eine Kunst für sich und das kann nicht jeder. Auf American Arcadia trifft das meiner Meinung nach aber nicht zu.

Vor allem die Abschnitte mit Trevor als 2D-Sidescroller sehen sehr gut aus. Es gibt viele Details und gerade in die Tiefe des Raums, den man zwar nie erreichen kann, gibt es schöne Panoramen oder einfach nur mit viel Liebe zum Detail gestaltete Hintergründe. Leider sind sie manchmal so detailliert, dass es mir schwer fiel zu erkennen, wo es weiter geht. Speziell wenn sich die Entwickler etwas zu sehr verkünstelt haben. Den Stil der 70er Jahre mit seinen knalligen Farben und geschwungenen Formen haben sie dabei sehr gut getroffen.
Die Ego-Abschnitte mit Angela können da leider nicht mithalten. Sie sind zwar im selben Stil gehalten, aber wirken oft leer, karg und irgendwie steril. Ihnen fehlt der Charm der anderen Umgebungen. Das kann auch daran liegen, dass sie oft außerhalb von Arcadia spielen und deswegen der 70er-Stil fehlt. Vielleicht ist das auch Absicht. Mir ist aber der Kontrast zu stark.

Screenshot: Trevors Flucht bei Nacht ist stimmungsvoll inszeniert, hat aber genug Licht damit ich weiß, wo es lang geht. Meistens zumindest.
Trevors Flucht bei Nacht ist stimmungsvoll inszeniert, hat aber genug Licht damit ich weiß, wo es lang geht. Meistens zumindest.

Noch ein paar Worte zur Performance: Auf meinem mittlerweile betagten System (Ryzen 3700X, Nvidia RTX2070 Super, 32GB DDR4-3000 RAM) hält das Spiel stabil die 60 FPS. Mehr wird aber schwierig, stelle ich das Limit höher, etwa auf die 144Hz die mein Monitor kann, komme ich so gut wie nie dran. Es bleibt eher bei 70-90 FPS, je nach Situation. Zwischen Sidescroller und Ego-Ansicht habe ich keinen Unterschied festgestellt. Bei beiden tritt ohne VSync aber Tearing an einigen Stellen auf, was mich sehr stört, weshalb ich die vertikale Synchronisationen angelassen haben. Da das Spiel meist keine übermäßig schnellen Reaktionen im Gameplay erfordert, konnte ich damit leben.

Film oder Spiel? Das Gameplay

Wie bereits kurz angerissen, unterscheidet sich das Gameplay von American Arcadia grundlegend je nachdem, welche Figur man steuert. Generell sind alle Spielmechaniken aber recht simpel gehalten, der Fokus liegt klar auf der filmartigen Inszenierung der Story.

Screenshot: Die Logikrätsel haben mich teils an den Rand meiner Grenzen gebracht. Äh... was?
Die Logikrätsel haben mich teils an den Rand meiner Grenzen gebracht. Äh… was?

Als Trevor, der versucht aus Arcadia zu fliehen, sind alle Abschnitte als klassische 2D-Plattformer gehalten. Dabei darf man aber nicht die Agilität eines italienischen Kempners erwarten, Trevor bewegt sich sehr träge. Die fehlende Dynamik soll wohl der filmischen Inszenierung Rechnung tragen, ich bin da aber kein Freund von, bei mir dürfen Charaktere in Plattformern deutlich beweglicher sein. Die Kamera steht an der Seite, zwar haben die Levels optisch teils sehr viel Tiefe, spielerisch kann er sich aber nur auf einer geraden Linie quer durch das Bild bewegen. Spielerisch hat mich das hin und wieder gestört, weil oft nur von links nach rechts oder andersherum laufen kann und keine weiteren Aktionen möglich sind. Allgemein kann er ansonsten nur springen und eine kontextsenitive Aktion ausführen. Das kann etwa einen Wagen schieben, eine Holzplatte herunterdrücken oder ein Schalter auslösen sein. Alles simpel, mein weit größeres Problem war, zu erkennen, was das Spiel von mir will oder wo es weiter geht, speziell er nicht gerade entspannt herumläuft. In den Fluchtsequenzen ist schnell Schluss, wenn ich nicht schnell genug erkenne, was zu tun ist. Dann muss ich ein Stück wiederholen, was sich meist in Grenzen hält, die Checkpoints sind großzügig verteilt. Trotzdem etwas nervig, wenn ich dieselbe Sequenz immer und wieder anschauen muss, nur weil mir der Weg nicht klar war.

Bei seiner Flucht wird ihm von Angela geholfen, die für Walton Media arbeitet, der Betreiberfirma von Arcadia. Sie kann die Sicherheitskameras in den jeweiligen Abschnitten übernehmen. Dann ändert sich die Perspektive leicht, mit dem rechten Stick kann ich interaktive Objekte wie Lampen oder Türen durchschalten, mit einer Taste ihre Aktion auslösen. Dann ist Koordination nötig, teils muss ich mehrere Kameras mit unterschiedlichen Blickwinkeln durchschalten und Trevor oder ein anderes Objekt im Blick behalten. Ich kam hin und wieder dabei durcheinander, weil ich Trevor mit dem linken Stick steuere. Zudem ist nicht immer klar, in welche Richtung ich den rechten Stick drücken muss, wenn zum Beispiel Objekte nah beieinander sind – nach links oder unten, wo geht es weiter? Aber da in den meisten Sequenzen kein Zeitdruck herrscht oder ich Möglichkeiten habe, mich nur auf eines zu konzentrieren, wenn sich Trevor etwa sicher hinter irgendwas verstecken kann (die Wache schauen nur in sehr begrenzten Bahnen).

Screenshot: Angela verfolgt Trevor auf ihrem Bildschirm. Da ich dann beide steuere, muss ich abwägen, wann ich was mache. Gut, dass die Wachen nie auf die andere Seite der Couch schauen...
Angela verfolgt Trevor auf ihrem Bildschirm. Da ich dann beide steuere, muss ich abwägen, wann ich was mache. Gut, dass die Wachen nie auf die andere Seite der Couch schauen…

In anderen Teilen steuere ich Angela direkt, dann wechselt das Spiel in die Ego-Perspektive. Allerdings kein Shooter, es gilt fast ausschließlich Rätsel zu lösen. Die Umgebungen sind meist leer von anderen Menschen, sich verstecken muss sie sich nur ganz selten. Ihre Aufgaben sind eine bunte Mischung aus unterschiedlichen Logikrätseln, zum Glück keine die auf Wörtern oder Sprache basieren, weil ich die so überhaupt nicht kann. Aber auch die anderen haben mich an den Rand meiner Fähigkeiten gebracht, teils auch nur, weil ich die Optionen und Systematik nicht durchschaut haben. Wenn sie spät im Spiel in einen Hochsicherheitskomplex eindringt und ich mit Tasten Symbole anderes anordnen muss, bin ich erst fast verzweifelt – bis ich in einer Komplettlösung die Systematik las, dann war es ein Kinderspiel. Mit dem kurzen Beispiel habe ich das nicht verstanden. Es geht also nicht so sehr darum, gelerntes neu anzuwenden, sondern herauszufinden, wie es überhaupt geht. Wiederholt wird dabei nichts, was zur Abwechslung beiträgt, aber sich auch ein wenig wie ein verschenkte Chance anfühlt. Ein paar Rätsel haben mich aber genervt, wie eines, in dem ich mit einer Art Geigerzähler den korrekten Weg finden muss. Das ist nicht anspruchsvoll, die Schwierigkeit ergibt sich nur daraus, weil der Zähler sehr schnell ausschlägt und ich entsprechend schnell erwischt werde. Ansonsten ist es nur stumpfes ausprobieren und sehr langsames laufen, was keinen Anspruch hat und für mich eher Zeitverschwendung war. Auch dass bei den Rätseln, wo ich Tasten durchschalten muss, mal neben dem Analogstick auch das Steuerkreuz dafür nutzen kann und mal nicht nervt mich. Optionen digital durchzuschalten mache ich lieber mit dem Steuerkreuz, da es ansonsten nicht belegt ist, gibt es eigentlich keinen Grund dafür, diese Option nicht zumindest anzubieten. Dass es in ein paar wenigen Rätseln geht zeigt mir, dass sich zumindest einer der Entwickler dessen auch bewusst war, aber es auch nicht auf alle übertragen hat. Immerhin herrscht hier auch so gut wie nie Zeitdruck, sprich ich muss nur aufpassen, dann sollte es gehen. Blöde nur dass das für mich als sehr ungeduldige Natur nicht einfach ist.

Generell ist das Gameplay sehr einfach gehalten. Es geht meist nur darum zu sehen, wo es weiter geht und eventuell eine Aktion auszuführen. Daneben gibt es noch die Rätsel, bei denen schon so einige Kopfnüsse dabei ist. Generell wirkt auf mich aber alles spielerische aufs nötigste reduziert, die filmische Inszenierung der Story steht im Vordergrund und alles andere muss sich ihr unterordnen. Auch wenn das bedeutet, dass sich mein Charakter nur noch im Schneckentempo fortbewegt, damit ein Dialog im Hintergrund ablaufen kann. Oder mir wird ohne Vorwarnung komplett die Steuerung entzogen. Wahlfreiheit hatte ich nie, das Spiel ist streng linear, selbst wenn ich wollte, kann ich nicht abbiegen. Meist weil es mir das Spiel schlicht verbietet, auch wenn es abseits der Geschichte keinen Grund dafür gibt. Stattdessen zwängt mich das Spiel auf sehr enge Bahnen, auch wenn es aus meiner Sicht Spielraum für Entscheidungen gibt. Und damit eine große Stärke von Videospielen liegen gelassen wird.

Die Trevor-&-Angela-Show: Die Story

Screenshot: Angela gibt Trevor wenig subtile Hinweise, was in Arcadia vor sich geht
Angela gibt Trevor wenig subtile Hinweise, was in Arcadia vor sich geht

Auch bei der Story ist der Twist der Dualität der Protagonisten immer präsent. Weil sie buchstäblich in zwei Welten leben.

Trevor ist Einwohner der Stadt Arcadia, in der alles perfekt zu sein scheint. Er selbst ist mit seinem hochgradig unspektakulären Leben zufrieden. Was er nicht weiß: das ist alles ein gigantische TV-Show. Das große Vorbild ist hier unverkennbar der Film "Die Truman Show" aus dem Jahr 1998 mit Jim Carey in der Hauptrolle. Der große Unterschied ist, dass alle über 20.000 Einwohner von Arcadia nicht wissen, dass sie unter einer gigantischen Kuppel leben und Tag und Nacht von Kameras beobachtet werden. Allerdings hat das zumindest für ihn mittelfristig Auswirkungen, da American Arcadia zu unserer Zeit spielt und mit technischen Möglichkeiten, kann sehr genau verfolgt werden, was die Zuschauer von den Einwohnern einzeln halten – und Trevors Werte sind entsprechend niedrig. Es scheint dann, als wolle man ihn aus der Show entfernen.

Ähnlich wie Truman sieht auch Trevor eines Tages Zeichen und Botschaften, wobei es keine heruntergefallener Scheinwerfer ist, sondern Botschaften, die von Angela ganz gezielt eingebaut wurden, um ihn zum Ausbruch zu bringen, bevor er aus der Show entfernt wird. Diesen Aspekt gab es im Film auch schon, aber nicht so deutlich und so direkt. Angela arbeitet zwar für die Betreiberfirma von Arcadia, aber wird auch im Hintergrund von einer Widerstandsgruppe angeleitet. Wobei sie die gar nicht so genau kennt und auch ihre Motive und Hintergründe nie wirklich hinterfragt, was einer der größten Minuspunkte der Story ist. Sie ist sehr gutgläubig gegenüber ihren Auftraggebern, obwohl sie so gut wie gar nichts über sie weiß. Und hängt sehr an Trevor, obwohl es noch über 20.000 weitere Menschen in Arcadia gibt und schon vorher andere Menschen aus der Show entfernt wurde. Ihr wird erzählt dass sie getötet wurden, sie hinterfragt oder prüft das aber auch nicht. Dass macht sie zumindest mal sehr naiv und sehr auf unseren Protagonisten fokussiert.

Screenshot: Am Ende spielt man Trevor durch einen Livestream
Am Ende spielt man Trevor durch einen Livestream

Das war aber schon einer der wenigen Punkte, die mich an der Story von American Arcadia gestört haben. Generell ist sie sehr gut. Sie hat zwar ein klares Vorbild, aber baut die Prämisse aus und entwickelt sie weiter, auch mit den technischen Mitteln unserer Zeit. Die ethnischen Frage, inwiefern es überhaupt vertretbar ist, so viele Menschen ohne deren Wissen für eine Show einzusperren wird nur am Rande behandelt. Generell werden keine großen Fragen gestellt, es geht mehr um das persönliche Schicksal von Trevor und Angela und ihrer Verbindung.

Ich habe mich nicht viel damit beschäftigt, aber auch das Ende soll zumindest für Diskussionen gesorgt haben. Ich will nicht zu viel vorwegnehmen, nur so viel dass die Story die ein oder andere Wendung zu bieten hat, was das Ende einschließt. Sie bringen aber zumindest Trevor dazu, das ein oder andere zu hinterfragen und nicht alles für bare Münze zu nehmen. Ob das am Ende auch Auswirkungen hat? Das müsst ihr selbst sehen.

Fazit

Screenshot: Die Umgebungen in Arcadia können sich wirklich sehen lassen
Die Umgebungen in Arcadia können sich wirklich sehen lassen

American Arcadia lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück.

Positiv ist die stilsichere Mid-Poly-Grafik, auch die Hintergründe, wenn ich mal Zeit habe sie zu begutachten, sind sehr detailliert und einfach schön gestaltet. Auch die Story hat mich überzeugt, die zwar klar auf The Truman Show basiert, aber nicht nur abkupfert, sondern auch gehörig erweitert und vor allem weiterentwickelt, so dass sie am Ende ihren ganz eigenen Spin bekommt. Sie ist nicht frei von Fehlern, aber hat mir doch sehr gefallen.

Nicht warm geworden bin ich mit großen Teilen des Gameplays. Dass Trevor in den 2D-Plattforming-Abschnitten sich weniger wie ein italienischer Klempner sondern mehr wie ein Sack Kartoffeln steuert, hätte ich noch verschmerzen können. Dass ich kein Rätsel-Meister bin, konnte ich den Abschnitten mit Angela "dank" Komplettlösung aus dem Internet auch kompensieren.
Aber dass das Spiel mehr Wert auf eine filmartige Inszenierung legt und dabei das, was Videospiele ausmacht, nämlich die Wahlfreiheit, fast komplett auf der Strecke bleibt, ist mir sauer aufgestoßen. Ich mag es nicht, wenn mich ein Spiel mit aller Gewalt auf einen bestimmten Pfad zwängt, vor allem wenn die Alternativen die immer gleichen Todes-Sequenzen von Trevor sind.

Wo bleibe ich dabei unterm Strich? Generell positiv, es hat viele positive Aspekte und mit einigen der negativen konnte ich mich zumindest arrangieren. Wer mehr auf Cinematic Platformer steht und generell kein Problem damit hat, wie an der Leine durch ein Spiel geführt zu werden, dürfte mit American Arcadia auch noch mehr Spaß haben als ich. Wer interessiert ist, sollte zuerst die Demo ausprobieren, die auf Steam (und wahrscheinlich anderen Plattformen) verfügbar ist.