Die Rundenstrategie war mir als Genre lange fremd. Seine erste Hochzeit hatte ich verpasst, meine Spieleerfahrungen, speziell auf dem PC begannen erst, als sie schon von der Echtzeitstrategie verdrängt wurde. Zumal die flotten Gefechte mein jugendliches Gehirn wohl mehr ansprachen. Ganz zu schweigen von schneller 3D-Action, die zu dieser Zeit immer populärer wurde. Spiele in Runden blieben bei mir die Ausnahme, mehr als ein paar wenige Versuche war nicht drin. Bis ich auf dem Nintendo DS auf ein Spiel aufmerksam wurde, was mir die Faszination und Tiefe dieses Genres zeigte – und wenn auch nur dadurch, dass mir die Computergegner ganz schön zusetzten. Am 30. September 2005 erschien Advance Wars – Dual Strike in Europa.
Das Spiel gehört zu einer langlebigen Serie von Rundenstrategiespielen, die aber fast alle nur in Japan erschienen. Eigentlich heißt die Serie auch nur "Wars" und den Namen der Plattform, also Famicon Wars (Famicom ist hieß das NES in Japan – kurz für Family Computer), Gameboy Wars, etc. Außerhalb Japans war das erste Spiel Advance Wars von 2001, das für den namensgebenden Gameboy Advance erschien.
Für die Serie typisch ist das moderne Szenario, als Kommandeur schickt man Infanterie mit Maschinengewehren oder Panzerfäusten in die Schlacht, dazu Panzer, Artillerie, Schlachtschiffe und Flugzeuge. Die Karten bestehen aus rechteckigen Kacheln, jedes kann nur von einer Einheit besetzt sein. Untergründe geben defensive Boni, in einer Stadt verschanzte Einheiten nehmen weniger Schaden als auf freiem Feld oder gar in einem Fluss. Gefechte werden in einem separaten Bildschirm visualisiert. An Fabriken, Häfen oder Flughäufen kann ein Spieler neue Einheiten bauen, das nötige Geld kommt von eingenommenen Städten pro Runde. Die Spieler ziehen abwechselnd alle ihre Einheiten.
Schon einige Teile vorher kamen die KO-Gaben dazu. KO steht hier kurz für den Kommandanten, den man teilweise vor einem Gefecht auswählen kann. Ist ihre Leiste dafür voll, können sie eine Spezialfähigkeit zünden, wodurch eigene Einheiten für eine Runde Boni bekommen, meist passend zu den Charakteristika des KO. In Dual Strike wurde der zweite Bildschirm des DS dahingehend genutzt, das zeitgleich zwei Gefechte oder allgemein Ereignisse stattfinden können, dann ersichtlich auf dem oberen Bildschirm. Der Touchscreen wird gut eingebunden, wobei ich meist mit einer Mischung aus Touch und Tasten gespielt habe, weil ich dann doch unabsichtlich die ein oder andere Fehleingabe gemacht habe.
Bei der Thematik entgegen steht die künstlerische Gestaltung des Spiels: Die Farbgebung ist hell und freundlich, die Einheiten wirken wie Spielzeug. Dazu gibt es freundliche Charaktere und flapsige Dialoge. Das Spiel wirkt dadurch sehr abstrakt, fast wie ein Brettspiel und keine ernste Kriegssimulation, auch wenn durchaus ein paar realistische Elemente darunterliegen (Fahrzeuge brauchen Sprit und Munition). Es gab auch schon die Kritik, dass Advance Wars dadurch Krieg verharmlost. Ich sehe es eher als sehr stark abstrahierte Darstellung. Dazu gibt es mehr als genug andere Spiele, welche die Gräueltaten in historischer oder moderner Kriegsführung komplett verschweigen.
Für mich hat Advance Wars: Dual Strike einen besonderen Platz, weil es mir die Faszination von Rundenstrategie so richtig nahegebracht hat. Ich war schon lange in Echtzeitstrategie unterwegs, aber das wird deutlich schneller gespielt, was mich mehr angesprochen hat. Ich erinnere mich noch an Versuche mit der deutschen Version von Civilization 2, wo ich nie weit kam, es hat mich einerseits mit dem Umfang erschlagen und andererseits mit dem recht langsamen Spieltempo gelangweilt. Die legendär schlechte, deutsche Übersetzung dürfte nicht geholfen haben.
Weil es schon damals einen sehr guten Ruf genossen hat, habe ich mir dann Advance Wars: Dual Strike gekauft. Die Kampagne ist extrem redselig, aber auch ein sehr sanfter Einstieg, weil alle Spieleelemente sehr behutsam eingeführt werden. Und es ist weit weniger Komplex als die gängigen Globalstrategiespiele (vor denen ich bis heute großen Respekt habe), was sicher nicht geschadet hat. Es konzentriert sich ganz auf die taktischen Gefechte.
Je länger ich spielte, desto mehr erschloss sich mir, was Rundenstrategie eigentlich ausmacht: Das behutsame taktieren, das Austüfteln jedes Zuges, das ist eine ganz andere Art zu spielen wie in den von mir sehr geschätzten Echtzeitstrategiespielen. Und die Konsequenzen, mache ich einen Fehler, kann ich ihn nicht sofort korrigieren, sondern bin verdammt dazu zuzusehen, wie der Gegner meine Einheiten eine nach der andern erledigt. Geduldiges planen und alle Möglichkeiten prüfen ist Pflicht, Züge in wenigen Sekunden zu machen bringt keinen Vorteil. Eine Lektion, die ich auf die harte Tour lernen musste, aber mir so ein ganzes Genre eröffnete. Wobei meine Erfahrungen trotzdem nicht wenig über derartige Taktikspiele hinausging, große Strategiespiele sind auch entsprechend Zeitintensiv.
Dual Strike erhielt einen Nachfolger, das 2008 veröffentlichte Dark Conflict (in den USA Days of Ruin untertitelt, in Japan kam es komischerweise erst deutlich später heraus) schlägt aber deutlich düstere Töne an. Bereits 2001 und 2003 erschienen zwei Spiele für den Gameboy Advance, welche heute in Nintendo Switch Online mit Erweiterungspaket für die Switch enthalten sind. Der allererste Teil für das Famicom ist nur in Japan neu aufgelegt worden. Neue Spiele gab es lange keine, es dauerte schlappe 15 Jahre, bis 2023 nach mehreren Verschiebungen (u.a. durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine) ein Remake der Teile vom GBA unter dem Titel Advance Wars 1+2 Re-Boot Camp erschien. Seitdem hat sich auch nichts mehr getan, eigentlich liegt die Serie seit 2008 brach. Nintendo und Intelligent Systems konzentrieren sich auf das mittlerweile ungleich erfolgreichere Fire Emblem.