Review: Evoland

Was Rollenspiele angeht bin ich ein Späteinsteiger: mein erstes richtiges RPG war Gothic 1, und dass auch noch als (weitestgehend fehlerbereinigte) Budget Version einige Monate vor dem Release des Nachfolgers. Auf PC und Konsolen war ich davor nur in Action- und Strategiegenres unterwegs.
Fast wie eine Offenbarung wirkt da auf mich das Indie-Spiel Evoland, welches eine Zeitreise durch die Geschichte der Rollenspiele verspricht. Schon die erste Version, die innerhalb von nur 48 Stunden in Flash entstand und auf der Webseite des Entwicklers kostenlos gespielt werden kann, hat alle wichtigen Features. Seit einiger Zeit gibt es aber auch eine stark erweiterte Version, welche für knapp 10€ (inkl. Soundtrack und Steamkey) auf derselben Webseite oder bei GOG gekauft werden. Ich habe sie gespielt um zu sehen, ob sich die Reise lohnt.

Screenshot: Features werden nach und nach freigeschalten
Features werden nach und nach freigeschalten – und wenn es nur ein netter Kameraschwenk ist.

Ein grundlegendes Prinzip von Evoland ist es, dass jedes Feature nach und nach freigeschalten werden muss. Zu Beginn sieht man nur eine zweidimensionale Grafik die pixelig und in den grün/schwarzen Farben des alten Gameboys gehalten ist. Man kann auch nur nach rechts laufen, dort wartet aber schon die erste Kiste mit ersten Feature: nach links laufen. Auf diese Weise werden alle Features aktiviert, sei es bessere Grafik, Sound oder Gameplay-Elemente. Was war ich froh als ich die der Zelda-Reihe bekannten Herzen bekam und nicht mehr jeder Treffer das sofortige Ableben meiner Spielfigur bedeutete.
Evoland hat vor allem vier Vorbilder: The Legend of Zelda, Final Fantasy, Dragon Quest und Diablo 3. Die Abschnitte des Spiels halten sich nah an die Originale (wobei ich für Dragon Quest nicht sprechen kann da ich bisher keine Spiele davon je gespielt habe) und sie wechseln sich ab. Zu beginn ist man noch nach Zelda-Stil unterwegs, nachdem man die Oberweltkarte freischaltet wird die Region im Final-Fantasy-Stil bereist, inklusive rundenbasierter Zufallskämpfe. Die Areale behalten ihre Gameplay-Stile, wenn man später dorthin zurückkehrt ändert sich auch wieder die Grafik zurück.

Screenshot: Rundenbasiertes Kampfsystem in 2D
Rundenbasiertes Kampfsystem in 2D

Dabei bleibt es aber nicht, da in einem späteren Abschnitt ein interessantes Zeitreise-Feature eingeführt wird, von den entsprechenden Grafikstilen der 16bit-Ära sowie der modernen 3D-Grafik unterstrichen. Die ältere Grafik stellt dabei die Vergangenheit dar. Ein Baum ist in dieser Zeit noch ein kleiner Setzling und man kann problemlos darüber laufen. In der Gegenwart ist daraus aber ein Baum geworden, der nicht so einfach zu passieren ist. Was tun? Wenn man den Setzling in der Vergangenheit verbrennt ist in der Gegenwart kein Baum an dieser Stelle. Ganz so einfach ist das Rätsel war nicht, übermäßig schwer aber auch nicht.

Screenshot: Rundenbasiertes Kampfsystem in 3D
Rundenbasiertes Kampfsystem in 3D

Ein wenig kniffliger sind da schon die Besuch in den Dungeons. Mit Fallen und Gegner gespickt erinnern sie stark an die Zelda-Serie. Neben den üblichen Skeletten findet man dort sich teleportierende Magier und auch den ein oder anderen Bossgegner. Auch hier nimmt das Spiel nicht nur anleihen bei bekannten Genre-Größen, sondern spielt offen auf die an. Ob es nun die Gegner, die Form eines besonders starken Schwerts oder die allgemeine Geschichte ist: An jeder Ecke Ecke lauern Anspielungen an die vier großen Vorbilder und weiteren Gerne-Vertretern, z.b. die bekannte Pfeil-ins-Knie-Metapher aus Skyrim.

Screenshot: Zeitreise im Wald: 16bit Ära
Ein zeitreise Rätsel im Wald in 16bit-Grafik…

Aber es wird nicht nur gekämpft: später im Spiel erreicht man ein Dorf, aber zunächst noch ohne Bewohner – wie fast alles andere auch muss man sie erst aktivieren, nur um dann herauszufinden, dass sie nicht mit dem Charakter als Kind reden – es muss schon ein Erwachsener her. Das Dorf ist im Stil der 16bit Ära gehalten, im Gegensatz zu einem weiteren, welches man später erreicht besteht aus vorgerenderten Hintergründen (zuerst sehr pixelig, erst per Upgrade bekommen sie HD-Auflösung). Die Bildschirme werden dabei von den von der ersten Playstation bekannten Ladezeiten unterbrochen. Das kann man zwar mit einem Upgrades zum „schnellen DVD-Player“ beheben, welches aber sündhaft teuer ist. In den Klassikern ist Geld (hier genannt „Glis“) eben ein rares gut. Aber welches RPG bewirft den Spieler damit regelrecht? Richtig: Diablo.

Screenshot: Zeitreise im Wald: HD
… und in zeitgemäßerer 3D-Grafik.

Kurz darauf erreicht man eine Höhle, die förmlich nach den Eishöhlen im dritten Akt des dritten Teils der Vorzeige-Action-RPG-Serie schreit. Die Texturen, die Lichtstimmung, dazu die roten Kugeln, die erledigte Gegner fallen lassen und Lebenspunkte regenerieren – wem da nicht der jüngste Spross der Höllenhatz einfällt, dem lässt sich nicht helfen. Der Boss in dieser Höhle scheint dagegen aus einer anderen Blizzard-Welt zu stammen…
Die unterschiedlichen Spielsysteme sorgen für Abwechslung, allerdings wird jedes nur recht oberflächlich behandelt und entwickelt keine taktische Tiefe. Dafür ist die Spielzeit mit nur etwa 3,5 Stunden auch viel zu kurz. Den größten Teil nimmt dabei Final Fantasy ein, der Diablo-Abschnitt ist nur sehr kurz und in jedem Dungeon wird nach Zelda-Manier gekämpft. Das Spiel ist leider komplett linear, der Wiederspielbarkeitswert ist sehr gering. Einzig versteckte Sterne (bringen nichts weiter) und Karten für Doppelzwiling (ein Minispiel) suchen, was mich nicht übermäßig motiviert hat.

Screenshot: Diablo-Abschnitt in Evoland
Neben den klassischen Rollenspiele steht auch Diablo für einen Abschnitt Pate.

Normalerweise fange ich ja mit der Technik an, hier habe ich sie aber einmal hinten angestellt. Das Problem ist, dass sie hier nicht so einfach bewertbar ist, da das Spiel versucht, verschiedene Stile zu zeigen. Kann man die Grafik der 8- und 16bit Konsolen-Ära sinnvoll mit der heutigen 3D-Grafik vergleichen? Die spätere 3D-Grafik hinkt dem aktuellen Stand merklich hinterher, dafür ist die comic-artige Grafik stilsicher. Auch die Musik passt zu jeder Epoche, ebenso die Soundeffekte, Sprachausgabe gibt es keine. Die Geschichte wird nur in kurzen Texten erzählt, die nur allzu sehr an die eines der großen Vorbilder erinnert, inklusive einiger bekannter Momente. Die Steuerung erfolgt nur durch die Tastatur, was in den Zelda- und Final-Fantasy-Abschnitten kein Problem ist bzw. der damaligen Steuerung mit dem Steuerkreuz entspricht. In den Diablo-Abschnitten ist das aber gewöhnungsbedürftig, lässt sich aber erlernen, da der Schwierigkeitsgrad im Rahmen bleibt.

Fazit: Evoland ist eine interessante Zeitreise durch die Geschichte der Rollenspiele. Der Schwerpunkt liegt zwar auf den Final-Fantasy-Spielen, die anderen kommen deswegen aber nicht zu kurz. Kurz fällt nur die Spielzeit aus, dreieinhalb Stunden sind sehr kurz, auch für ein kleines Indiespiel. Die 10 Euro, die es aber normalerweise kostet halte ich für zu viel. Trotzdem ist es ein sehr schönes Spiel, wenn es einmal reduziert angeboten wird kann jeder Freund von Rollenspiele, egal ob man sich noch an die alten Zeiten erinnert oder sie erst noch kennenlernen will.