Eine kurze Geschichte des Bebens

Screenshot: Quake 1, 2, Live und Champions

Die Quake-Serie von id software hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Im Zuge meines Artikels zum vierten Teil wollte ich dazu einen kleinen Überblick geben.

Wer mehr zur Serie und ihren Machern wissen will, findet zahlreiche Ressourcen, vor allem das Buch The Masters of Doom von David Kushner. Es erzählt die Geschichte von id software von den Anfängen bis zum Start der Entwicklung von Doom 3, mit dem besonderen Fokus auf die beiden Johns, John Romero und John Carmack. Dazu gibt es zahlreiche Vorträge und Post-Mortems, häufig von John Romero, und sein eigenes Buch Doom Guy – Life in First Person.

Dieser Artikel erschien auch bei GamersGlobal. Danke an SupArai und Jörg Langer für Korrekturen und Feedback!

Inhalt

3D-Shooter statt Fantasy-RPG: Quake

Screenshot: In der neue Episode der Neuauflage des ersten Teils ist deutlich komplexere Geometrie als im Original möglich
In der neue Episode der Neuauflage des ersten Teils ist deutlich komplexere Geometrie als im Original möglich

Das erste Quake gilt als Meilenstein der Technik, weil es als eines der ersten Spiele auf echte 3D-Grafik setzte. Rein von der CPU berechnet, Grafikbeschleuniger gab es noch nicht. Beim Gameplay gab sich das Spiel dagegen konservativ, es hob sich nicht maßgeblich von Doom ab. Es galt weiter das Ende jeden Levels zu finden, Schlüssel für Türen suchen und dabei nicht durch die zahlreichen Gegner zu sterben. Die große Neuerung war neben der Grafik auch das Leveldesign – statt des strikt zweidimensionalen Layouts von Doom (höher gelegene Räume konnten nicht über anderen Räumen liegen) waren die neuen Labyrinthe nun wirklich dreidimensional und komplex. Ursprünglich hatte id Software ein ganz anderes Spiel geplant als einen weiteren Ego-Shooter, John Romero schwebte eine Art First-Person-Rollenspiel mit einem Protagonisten vor, der einen magischen Hammer schwingt. Da die Arbeiten an der Engine aber deutlich länger dauerten und Romero mehr mit der Betreuung anderer Projekte wie Hexen bei Raven Software und dem Spielen von Doom-2-Deathmatch beschäftigt war, kam das Konzept nicht wirklich voran. Generell vernachlässigte er seinen Pflichte ein Design-Director, der für eine klare Linie bei den anderen Designern zu sorgen. So arbeitete jeder an dem, was er mochte, was zu sehr unterschiedlichen Settings der vier Episoden führte: Die erste wurde hauptsächlich von Tim Willits erstellt und hat leichte Sci-Fi-Anleihen, die dritte von American McGee nutzt ein düsteres Mittelalter-Setting und die vierte von Sandy Petersen hat deutliche Lovecraft-Einflüsse. Die zweite Episode, für die sich John Romero verantwortlich zeigte, spielt in der von ihm favorisierten mittelalterlichen Fantasy-Welt. Um das ganze irgendwie noch zusammenzubringen, gab es eine Alibi-Story um Dimensionsportale, aber die wirkte auf mich wie ein Pflaster auf ein größeres Problem. Die klare Linie, für die eigentlich Romero als Design-Director sorgen sollte, gab es nicht, so arbeitete jeder der Designer an dem, was er mochte.

Als die Engine dann so weit stand wurde deshalb gegen den Willen von Romero entschieden, stattdessen aus dem was bereits da war, "nur" einen Shooter im Stil von Doom zu machen. Fans störte das nicht, Quake wurde ein Hit und hat bis heute eine kleine, aber sehr treue Anhängerschaft, die auch größtenteils im Multiplayer die Karten spielt, mit denen das Spiel ausgeliefert wurde. Romero verlies kurz nach erscheinen des Spiels id, um Ion Storm zu gründen, eine Firma, bei der das Spieldesign und nicht die Technik für die Spiele maßgeblich sein sollte. Das wurde in seinem Leitspruch "Design is Law" verewigt. Was dort passierte, ist seine ganze eigene Geschichte.

Lineare Sci-Fi-Story: Quake 2

Screenshot: Für die neuen Level in der Neuauflage von Quake 2 steigerte Machine Games vor allem das Gegneraufkommen
Für die neuen Level in der Neuauflage von Quake 2 steigerte Machine Games vor allem das Gegneraufkommen

Für den zweiten Teil übernahm der junge Designer American McGee das Ruder, der schon einen der Akte im Erstling designt hatte. American wollte ein Spiel mit Sci-Fi-Setting machen. das deutlich mehr Wert auf Story und Inszenierung legen sollte. Es erzählte linear vom großen Krieg der Menschen gegen die fiesen Strogg und hatte einige Zwischensequenzen und Skriptereignisse. Zwar war das Spiel auf dem Papier wie der Vorgänger in Episoden eingeteilt, aber ohne dessen Wahlfreiheit – alle mussten in fester Reihenfolge gespielt werden. Die Spielmechanik war großteils dieselbe mit dem Shooter-Trivumvirat aus Ausgang finden, Schlüssel suchen und Gegner umnieten. Neu ist ein einfaches Item-System, was aber seine Probleme mit sich brachte: Das Quad-Damage für den Bosskampf mitnehmen hat sie komplett trivialisiert. Das haben die Addons besser hingekommen und mit dem einen oder anderen Trick den Einsatz der Power-Ups sogar gefährlich macht.

Quake 2 war zunächst nicht als Nachfolger geplant gewesen, sondern sollte unter einer neuen Marke erscheinen. Aber nachdem die Entwickler keine passende fanden, die noch frei war,, wurde es kurzerhand als Quake 2 auf den Markt gebracht. Fachpresse und Spieler waren begeistert, einem Teil der Community stieß aber sauer auf, dass der Titel keinen Multiplayer hatte. Im ersten Teil war das noch ein so wichtiges Feature gewesen, dass später mit QuakeWorld ein darauf spezialisierter Client erschien. Für Quake 2 wurde der Mehrspieler-Part nachgeliefert; er wird bis heute von einem kleinen Kreis gespielt. Bekannt ist das Spiel auch als Brutstätte der Three-Wave-Mod, das "Capture the Flag" als Spielmodus etablierte. McGee wurde kurz nach der Veröffentlichung des Spiels von id Software gefeuert, ein Schicksal, das noch andere Entwickler ereilen sollte. Heute ist er vor allem für das abgedrehte Action-Adventure American McGees Alice bekannt.

Alles auf Multiplayer: Quake 3 Arena

Screenshot: Die Neuauflage des dritten Teils erfreut sich heute noch großer Beliebtheit
Die Neuauflage des dritten Teils erfreut sich heute noch großer Beliebtheit

Quake 3 Arena schlug eine ganze andere Richtung ein: Als reiner Multiplayer-Shooter trug er der immer stärkeren Verbreitung von Internetanschlüssen Rechnung. Ursprünglich sollten nicht mal computergesteuerte Gegner (im Fachjargon Bots genannt) enthalten sein, die kamen ebenso wie der rudimentäre Singleplayer-Modus erst spät in der Entwicklung dazu. Der Fokus aber lag ganz auf dem klassischen Deathmatch. Kurioserweise hatte der größte Konkurrent Epic Games zur selben Zeit dieselbe Idee, was in Unreal Tournament manifestierte. Beide Titel erschienen nur wenige Wochen nacheinander und feiern Ende diesen Jahres ihr 25jähriges Jubiläum. Beide verbindet auch, dass sie bis heute in Deutschland auf dem Index stehen.

Quake 3 Arena dürfte bis heute der populärste Teil der Serie sein, auch die Neuauflage Quake Live erfreut sich großer Beliebtheit. Also relativ für einen Arena-Shooter, andere Ego-Shooter haben ihnen in der Popularitätswertung schon lange den Rang abgelaufen. Die Engine war ein deutlicher Sprung, neben besserer Beleuchtung sind mir vor allem die Rundungen in Erinnerung geblieben. Also der Torbogen, berechnet aus Bézier-Kurven. An was habt hier gedacht, Hunter? Die später als id Tech 3 betitelte Engine sollte Grundlage für sehr viele Actionspiele und vor allem Ego-Shooter Anfang der 2000er werden. Unter anderem kann die Engine von Call of Duty ihre Wurzeln darauf zurückführen: Der erste Teil wurde damit erstellt, seitdem wurde die Engine in Eigenregie weiterentwickelt. In aktuellen Titeln dürfte allerdings nur noch sehr wenig Code stecken, der sich auf John Carmack zurückführen lässt.

Abschwung

Nach einer längeren Pause zugunsten von Doom kam 2005 der vierte Teil der Serie heraus, wie es ihm erging könnt ihr an anderer Stelle ausführlich lesen. id software selbst wollte mit Doom 4 noch stärker in die Richtung cineastischer Inszenierung gehen, aber verrannte sich damit. Nach der Übernahme durch Bethesda im Jahr 2009 kam es zum Reboot des Projektes, was in den hochgelobten Teil von 2016 mündete. Aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.

Während die Texaner Während die Texaner es so schafften, die Kurve zu kriegen, sah es bei Raven Software in Wisconsin nicht so gut aus: Es folgten einige Auftragsarbeiten, vor allem von Lizenztitel und das letzte eigene Spiel Singularity von 2010. Ein Shooter, der mich ein wenig an eine Mischung aus Half-Life und BioShock erinnerte, aber nie deren Klasse erreichte. Das gut umgesetzte Zeitreise-Gadget und dass das ganze Spiel sich spielte wie das eine Level aus Titanfall 2, an das sich jeder erinnert, hat nicht gereicht. Dazu empfand ich das Ende als kompletten Murks.

Heute sind sie nur noch DLC-Fabrik für Activisions Call-of-Duty-Reihe, nicht mal ein Haupttitel der Reihe wurde ihnen bisher zugestanden. Aufsehen erregte 2022 die interne Test-Abteilung, weil sie sich als eine der ersten gewerkschaftlich organisierte.

Screenshot: Singularity war das letzte eigene Projekt von Raven Software und ein finanzieller Flop
Singularity war das letzte eigene Projekt von Raven Software und ein finanzieller Flop

Noch erwähnen sollte ich Enemy Territory: Quake Wars. Dieser teambasierte Taktik-Shooter war stark an das Addon Enemy Territory für Return to Castle Wolfenstein angelehnt. Es war ein reines Multiplayer-Spiel, wie ich 2007 (mit einer schmalbandigen und vor allem getakteten Internetverbindung) feststellen musste. Die ganze Zeit war von einer Kampagne die Rede gewesen – doch das hieß nur, dass die Multiplayer-Karten einer Story folgten. Diese drehte sich um den initialen Angriff der Strogg auf die Erde, auf den dann in Quake 2 und 4 der Gegenangriff folgte. Der Shooter bot komplexes Gameplay und setzte auf starke Zusammenarbeit der Spieler und ihren Klassen – heute ist er  größtenteils vergessen, ich habe keine zehn laufende Server gefunden, von denen die meisten noch leer waren.

Neustart: Quake Champions und Neuauflagen

Mit Quake ging es erst 2017 mit dem Early-Access-Start von Quake Champions weiter. Es wollte klassische Arena-Gefechte mit Elementen moderner Hero-Shooter verbinden. Charaktere aus verschiedenen id-Spielen bekämpfen sich mit aktiven Fähigkeiten in den Arenen: B.J. Blazkowicz aus Wolfenstein feuert kurzzeitig mit zwei Waffen, Anarki aus Quake 3 injiziert sich einen heilenden Chemie-Cocktail und Ranger, der Hauptcharakter des ersten Quake, nutzt den Dire Orb, mit dem er einst den Endboss seines Spiels erledigte.
Die Ko-Produktion mit Saber Interactive war in der Community von Anfang an umstritten, sie konnte sich nie gegen ihren beliebten Großvater durchsetzen. Immerhin wird Quake Champions noch gepflegt und gespielt. Große Turniere wurden aber fast ausschließlich von id software selbst veranstaltet, mit dem großen Finale auf der QuakeCon, ihrer jährlichen Hausmesse mit LAN-Party. Seit dem letzten Sommer ruht der offizielle Betrieb aber, bisher gab es nicht mal eine Ankündigung für dieses Jahr. Die kleine Community veranstaltet seitdem nur wenige Turniere. Updates beschränken sich aktuell auf Seasons, welche kosmetische Extras ins Spiel bringen sowie Fehlerkorrekturen.

Screenshot: Die Einführung von Helden-Charakteren in Quake Champions wurde wie viele andere Neuerungen im Gameplay von der Community von Anfang an kritisch gesehen
Die Einführung von Helden-Charakteren in Quake Champions wurde wie viele andere Neuerungen im Gameplay von der Community von Anfang an kritisch gesehen

Im Zuge der Renaissance von Klassikern hat id software die beiden ersten Teile neu aufgelegt. Entwickelt wurden sie primär von den Remaster-Experten der Nightdive Studios, aber auch Machine Games, die sich vor allem für den Reboot der Wolfenstein-Serie verantwortlich zeigen, steuerten neue Level bei. Beide wurden passend zu QuakeCons veröffentlicht: Quake 1 erschien 2021, das zweite Remake folgte zwei Jahre später. Sie kamen auch für alle relevanten Konsolen heraus und wurden von Presse und Spielerschaft gut aufgenommen..

Blick in die Glaskugel

Wie die Zukunft aussieht, ist aktuell nicht bekannt. Es gibt immer wieder Gerüchte, dass id software nachdem sie mit den DLCs zu Doom Eternal die Geschichte des Doom Slayers vorerst abgeschlossen haben, an einem Reboot von Quake in einem ähnlichen Stil arbeiten. Das ist aber nicht offiziell bestätigt, Gekritzel an einem Whiteboard eines schwedischen Partnerstudios hin oder her. Das Setting wird schon deshalb spannend, weil die Serie hier nie eine klare Linie verfolgte. Vielleicht geht id ja den Weg von Marvel und verknüpft einfach alle id-Universen miteinander. Die nächste QuakeCon ist beim Schreiben dieser Zeilen noch nicht angekündigt, aber es dürfte niemanden überraschen, wenn sie Mitte August irgendwo in Texas stattfinden würde.

Ob Raven Software in diesen Überlegungen auch eine Rolle spielt, ist nicht bekannt. Da sich im Zuge der Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft nun alle relevanten Studios unter demselben Konzerndach befinden, wäre eine aktive oder gar führende Rolle möglich. Andererseits wird Call of Duty auch in Zukunft DLCs brauchen…