Review: Lethis – Path of Progress

Ich mag ja Abwechslung was meine Spiele angeht und ein ruhiges Aufbauspiel ist ein guter Gegenpol zu den vielen Action-lastigen Spielen die auf dem Markt sind. Kürzlich lief mir mit Lethis – Path of Progress ein Vertreter dieser Gattung über den Weg, der mich an Klassiker des Genres, vor allem aus dem Hause Impressions erinnert. Nicht jedes von Klassikern inspirierte Spiel kann mit diesen mithalten und da ich großer Fan der Impressions-Spiele bin hab ich mir genau angesehen, ob der Neuling mit dem großen Vorbildern mithalten kann. Nachfolgend wird es laufend Verlgieche mit den Klassikern Caesar, Pharaoh und Zeus geben, was nicht nur daran liegt dass das Spiel offenkundig davon inspiriert ist, sondern weil es die Entwickler auch offen bekunden, dann müssen sie sich auch mit ihnen messen lassen.

Screenshot: Industriekomplex auf einer Insel
Automatenfabriken verlangen nach direktem Dampfanschluss, auch auf einer Insel.

Als erste fällt die 2D-Comic-Grafik auf, welche sofort an die Impressions-Klassiker erinnert: detaillierte Gebäude, viele Animationen – da macht das reine zusehen schon Spaß. Oder wo sieht man sonst wie eine überdimensionale Seidenraupe mit einem Besen gewaschen wird? Der große Detailreichtum ist aber ein kleiner Schwachpunkt: alles wirkt zu perfekt und fast schon steril. Natürlich ist es weit weg von den verzogenen Wänden eines Zeus, aber es wirkt nicht so organisch wie Pharao. Das könnte daran liegen dass der Untergrund relativ unscharf und verwaschen wirkt, während die Gebäude und Bewohner sehr scharf gezeichnet sind – es wirkt nicht wie aus einem Guss. Trotzdem ist Lethis schön anzusehen, egal auf welcher Zoom-Stufe, dafür verfügen die Grafiken über mehr als genug Details. Stimmig ist die viktorianische Steampunk-Welt sowieso, dafür sorgen die typischen Architektur-Merkmale und der Kleidungsstil der Einwohner. Übersichtlich ist sie auch, dank mehrerer Filter können Gebäudetypen ausgeblendet werden und zudem die Ansicht in 90° Schritten gedreht werden – ganz wie in den Vorbildern. Die Musik passt zum Setting mit ihren sehr entspannten Klängen und sie klingt so, wie man sich klischeehaft Musik vorstellt, welcher aus dieser Zeit stammt und von Franzosen komponiert wurde. Die Soundeffekte sind solide, eine Sprachausgabe gibt es nicht. Allgemein merkt man es vor allem am künstlerischen Stil an dass das Stil aus Frankreich kommt.

Screenshot: Farmen und Fischerhäfen
Farmen werden nur innerhalb der passenden Saison bearbeitet.

Beim Spielprinzip hält sich Lethis ganz an die großen Vorbilder: man startet auf einer leeren Landkarte und das Ziel ist es, eine florierende Stadt zu errichten. Dazu weißt man Wohnplätze aus und sorgt über weitere Gebäude dafür, dass die Bedürfnisse der Einwohner befriedigt werden. Am Anfang reicht es schon, dass sie Zugang zu Nahrung und einem Waschhaus haben, die Ansprüche steigen aber schnell: ein Theater muss her, von einem Exorzisten sollen regelmäßig Geister vertrieben werden und die neusten Nachrichten von einem Zeitungsstand müssen natürlich auch her. Das Konzept der patrouillierenden Einwohner um die Gebäude zu versorgen wurde gut übernommen und funktioniert wie gewohnt. Allerdings führt das auch dazu dass die Städte nicht so individuell gebaut werden können ohne komplett ineffizient zu sein – eine Art Blockbauweise ist an der Tagesordnung, da die Laufwege eine wichtige Rollen spielen und gut optimiert werden müssen. Eine besondere Rolle spielt die Attraktivität der Umgebung, welche wie mir scheint hier wichtiger ist wie in den Vorbildern: Straßen können nicht ausgebaut werden sondern verändern ihr Aussehen anhand der Umgebungsattraktivität: von einfachen, unbefestigten Wegen zu gepflasterten Straßen ist es ein recht weiter Weg. Da die „Reichweite“ der Verschönerung mit der Größe des Objektes (ein Brunnen, Park oder einfacher Baum) zunimmt sind die kleineren Verschönerungen kaum zu gebrauchen. Die Anforderungen an die Attraktivität gelten schon für normale Wohnhäuser ab einer gewissen Stufe, Adlige lassen sich nur auf speziellen Villenplätzen nieder welcher größer sind und sind noch anspruchsvoller: neben Abwechslungsreichen Speisen (drei verschiedene) wollen Seidenkleidung und Schmuck angeschafft werden. Mit dem gemeinen Volk geben sie sich nicht ab, in ihren Versorgungsgebäude Café, Spa und Emporium arbeiten dampfbetriebene Automaten.

Screenshot: Seidenwürmer werden mit einem Besen gewaschen
Die detaillierten Animationen sieht man kaum besser als bei der Seidenfarm.

Damit die Leute auch etwas zu tun haben muss Arbeit her, was meist mit dem Wachstum der Stadt einher geht: wollen die Einwohner Kupfer-Geschirr muss eine entsprechende Mine sowie eine Produktionsstädte dafür her. Nahrung kann mit Fischfang beschafft oder auf Felder angepflanzt werden. Die Produktionsketten sind dabei überschaubar, die klassische Farm-Mühle-Bäcker ist noch die längste, alle anderen sind nur zweistufig und es gibt wenig Abhängigkeiten zwischen den Ketten. Vieles ist gewohnt, Weizen habe ich schon in hunderten Städten angepflanzt und zu Brot verarbeitet, auch die Verarbeitung von Schwermetallen sind mir nichts neues. Ein paar Eigenarten gibt es dann doch, dass Jäger Fean sammeln, welche direkt zu einem Getränk (Absinth) gepresst werden hatte ich bisher nur in The Legend of Zelda mit den Heiltränken vermutet. Eine wichtige Rollen spielt Dampf, welcher für den Betrieb von schweren Maschinen notwendig ist. Einige der Betriebe, z.b. eine Automaten-Fabrik, müssen direkt angeschlossen werden, ein wenig wirken sie wie die Wasserkanäle aus Zeus oder Pharao. Für andere reicht es, ihn in Flaschen verpackt abzuliefern, was das ganze etwas ad absurdum führt, schließlich ist es beides mal der selbe Rohstoff. Da die Rohre für den Dampf nicht über Wasser oder unter Gebäuden verlegt werden können (nur schmale Straßen können für ein Feld unter führt werden) scheint es eher eine von der Spielmechanik vorgegebene Entscheidung zu sein. Für Minen und anderes reicht es, genug Dampf auf Vorrat in Lagerhäusern einzulagern. Die Lagergebäude für Nahrung und Waren sind zwar vergleichsweise groß in ihren Ausmaßen, beherbergen aber nicht so viele Waren wie ich gefühlt vermutet hätte, weshalb geschicktes Management wichtig ist: ist ein Lager z.b. voll mit Dampf-Flaschen passt nichts anderes mehr hinein, dafür kann geregelt werden was hineinkommen darf und wie viel – und was auch wieder raus muss um Platz für anderes zu schaffen.

Screenshot: Luxushäuser auf einer kleinen Insel.
Insellastige Karten verlangen nach einer sehr kompakten Bauweise, auch bei Luxushäusern.

Leider muss ich sagen dass es das an Spielmechanik schon war: Es gibt kein Militär oder weitere Ziele wie z.b. die Pan-hellenischen Spiele aus Zeus. So hatte ich nach gut der Hälfte der 26 Missionen umfassenden Kampagne das Gefühl, alles gesehen zu haben. Es gab keine neuen Gebäude mehr außer den Monumenten, aber diese sind auch alle gleich zu konstruieren: sie brauchen Sand, Glas, Stahl, Ornamente und einen Spezialzutat, welche in einem Erfinderlabor entwickelt wird. Wie viele Ressourcen man braucht hängt vom Monument ab und wie viele Erfinder sich in der Stadt nieder lassen hängt von der Zahl der Adligen ab – diese braucht man ansonsten auch nicht, außer die Missionsziele schreiben es vor. Dadurch sind die Aufgaben auch nicht übermäßig Abwechslungsreich, meistens muss man eine Stadt mit einer bestimmten Einwohnerzahl in Häuser einer bestimmten Stufe bauen oder eine bestimmte Anzahl einer Ware produzieren. Da man in jeder Mission von neuem Anfängt wird vor allem die Anfangsphase schnell sehr routiniert, aufeinander aufbauende Missionen wie in Zeus fehlen.

Screenshot: Botanischer Garten Monument
Der Botanische Garten ist das größte Monument. Man beachte die vielen Details.

Der Schwierigkeitsgrad zieht recht linear an, wobei die einzige Variable welche wirkliche Auswirkungen hat das Layout der Karte ist: weisen sie zu Beginn noch große Fläche auf welchen man recht komfortabel eine sehr effiziente Stadt bauen kann muss man später recht kreativ werden und mehrere, kleine Blöcke bauen da schlicht kein Platz da ist für große Siedlungen. Auch das verlegen der Dampfleitungen kann dann zu einer Herausforderung werden. Dabei stört es etwas dass man machen Objekte auf der Karte nicht abreißen kann, z.b. bestimmte Bäume, bei anderen ist das aber kein Problem. Andere Dinge kann man vernachlässigen: Geld ist normalerweise kein Problem, selbst ohne Export bekommt man nur durch Steuern genug, sofern man kurz etwas wartet und nichts neues baut. Fährt man trotzdem mal in die Miesen wird einem einmalig vom Herrscher des Landes geholfen, beim zweiten Mal ist die Mission verloren. Warenforderungen vom Herrscher können auch kommen, aber meiner Erfahrung nach nur zweimal relativ zu Beginn einer Missionen – ist es dann Schmuck oder anderes, was recht viel Arbeiter braucht hat man diese Waren meist nicht vorrätig. Ist aber auch egal, man bekommt zwar eine Meldung dass der Chef sauer ist, eine direkt Auswirkung hatte es bei mir aber nie. Ärgerlicher sind Revolten, die auftreten wenn die Bürger unzufrieden sind. Da Steuern und Löhne auf den normalen Einstellungen kein Problem sind und selbst recht negative eine Zeitlang funktionieren sofern ansonsten alles gut ist ist nur längerfristige, übermäßige Arbeitslosigkeit ein Problem (kurzfristig wird sie sich immer erhöhen da Farmen nicht das ganze Jahr über bewirtschaftet werden und die Arbeiter dann automatisch arbeitslos werden). Hat man länger eine Arbeitslosenquote über 25% marschieren die wütenden Bürger zum Rathaus der Stadt und machen es dem Erdboden gleich, mitsamt allem dazwischen. Ärgerlich, aber keine extreme Konsequenz da man alles wieder genauso aufbauen kann, da waren die Katastrophen aus den Impressions-Spielen teils schlimmer und vor allem dauerhafter da sie auch mal unbebaubares Land produziert haben. Dafür ist das Spiel insgesamt sehr entspannt, ein Zeitlimit gibt es nie. Wer ganz ohne Ziel bauen möchte kann sich auf einer der fünf Karte des Sandbox-Moduses versuchen, welche, keine Einschränkungen und Ziele haben. Seit Patch 1.10 kann man auf selbigen auch Handeln, was überfüllte Warenhäuser verhindert und noch mehr Geld in die Kasse spült.

Screenshot: Rebellionen in Lethis
Eine Rebellion gehört zu den schlechten Ereignissen, ist aber nicht wirklich tragisch.

Die Story der Geschichte ist recht belanglos und kann getrost ignoriert werden. Sie dreht sich um die Entdeckung von Dampf und dem daraus resultierenden Fortschritt in Lethis und erstreckt sich grob über 100 Jahre. Man spielt mit wechselnden Städtebauern, welche zwar namentlich genannt werden aber sonst keinen Einfluss haben und komplett blass bleiben, wie die meisten anderen Figuren. Einige der Missionen spielen zeitgleich, so bekommt man z.b. mit wenn in einer anderen Stadt ein Monument gebaut wurde. Das passiert aber über spröde Texteinblendungen, wie alles andere auch. Mehr als Text und das Portrait des aktuellen Monarchen sieht man nicht. Eine deutsche Übersetzung ist dabei, welche zwar an manchen Stellen etwas merkwürdig übersetzt ist, aber immer verständlich bleibt. Einige Dinge würde mich aber interessieren, z.b. warum alle Städte aussehen als würden sie auf Plattformen im nichts schweben, was nirgends erklärt wird.

Fazit: Lethis – Path of Progress ist ein solides Aufbauspiel im Stil der Klassiker von Impressions. Es beschränkt sich auf den Aufbaupart und setzt diesen sehr gut um, nach kurze Eingewöhnung an die wenigen Eigenheiten fühlt man sich schnell sehr vertraut an. Allerdings fehlt es an fortgeschritten Spielmechaniken, was in der zweiten Hälfte der Kampagne auffällt und ein wenig an meiner Motivation kratze – es gab einfach nichts neues mehr, alles wird sehr routiniert. Für Fans der Genres ist Lethis trotzdem eine klare Empfehlung, vor allem ob des günstige Preises. Ich hoffe unterdessen dass die Entwickler auf der soliden Basis des Spiels einen Nachfolger entwickeln, welcher die Spielmechanik erweitert.