Review: Wolfenstein – The Old Blood

Doch etwas überraschend kündigte Bethesda im März diesen Jahres mit The Old Blood eine eigenständige Erweiterung zum sehr guten Shooter Wolfenstein: The New Order an. Getreu dem Konzept des direkten Vorgänges gibt sich sogar das Vertriebsmodell klassisch: ein großes Addon mit 5-6h Spielzeit für 20€ statt kleiner DLC Happen. Jetzt stellt sich nur die Fragen: kann das Addon das hohe Niveau des Grundspiels zumindest halten?

Screenshot: Blick auf Burg Wolfenstein
Ausblicke wie hier auf Burg Wolfenstein gibt es eher weniger im Spiel.

Technisch bleibt alles beim alten: die id Tech 5 verrichten ihre Dienste und macht das auch sehr gut – auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass die Engine hier fehl am Platz ist da große Außenareale fehlen (was man mein neuen Doom wohl bemerkt hat). Die Areale sind alle sehr detailiert gestaltet, vermitteln aber kein Gefühl von Größe und Weite wie z.b. das erste Level in The New Order – es wirkt alles etwas kleinteiliger. Man ist die meiste Zeit in Innenräumen unterwegs, von einem Regime-Außenposten über ein Gefängnis bis hin zur Burg Wolfenstein selbst mitsamt vermoderten Katakomben – Tageslicht sieht man meistens nur von weitem. Dabei vermeiden die Entwickler aber peinliche, aufgemalte Details wie sie in The New Order z.b. im Unterschlupf der Rebellen zu finden waren. Neu ist dass die Ladezeiten mit Videos kaschiert werden, eine Technik welche wohl vom PlayStation 4 Spiel The Order 1886 abgeschaut wurde. Leider merke ich als aufmerksamer Spieler das schnell: die Videos laufen nur mit 30 Bildern pro Sekunden statt den 60 des restlichen Spiels, kleinere Artefakte wie Kantenflimmern (speziell an Haaren) und Kompressionsartefakte stechen mir direkt ins Auge – sowas möchte ich heutzutage nicht mehr sehen. Die Action selber ist gewohnt flüssig, leidet aber unter teils extremem Tearing – zumindest auf meinem alten 60Hz Bildschirm. Eine meiner neuesten Anschaffungen umfasst einen Bildschirm der mit bis zu 144Hz das Bild aktualisiert, was den Effekt deutlich mindert.

Screenshot: Akimbo Sturmgewehre - kein Problem
Zwei Sturmgewehre gleichzeitig ist nach wie vor kein Problem.

Auch am Gameplay hat sich nichts geändert: im Grunde bleibt es ein Ego-Shooter der alten Schule mit unkomplizierter, krachender Action – oder man bleibt leise und schleicht, wenn man das will, das Leveldesign unterstützt größtenteils beides. Nur zu beginn ist man quasi gezwungen zu schleichen, ohne Waffen und Rüstung gegen mehrere der schweren Maschinensoldaten vorzugehen erschien mir ein Ding der Unmöglichkeit. Später bleibt die Action schwierig, auch mit guter Ausrüstung sind die schwer gepanzerten Cyborgs mit ihren dicken Gatling-Guns eine harte Nuss. Einzeln gehen sie meistens noch, bei mehreren geht mir aber häufig die Munition für effektive Waffen wie den Schockhammer genannte Schrotflinte aus. Für einen reicht es, alternativ kann man sie auch lähmen indem man ihre Energieversorgung richtig trifft und sie dann direkt unschädliche machen – sofern man nah genug an sie ran kommt. Ich habe meistens einen gemischten Ansatz gewählt und einzelne Gegner soweit es geht leise ausgeschalten (vor allem Kommandanten, welche Verstärkung rufen können) – war mein Schleichtalent aber einmal ausgereits gabs die doppelte Ladung Kungeln im Akimbo-Modus für die Gegner. Egal was ich gemacht habe, kleine Fehler können schnell zum Bildschirm Tod führen, da die Gegner allesamt recht viel Schaden austeilen. Das richtige Ausnutzen der Medipacks und Rüstungsteile und das Überladen der Werte über den Standard Wert hinaus können über Sieg oder Niederlage entscheiden – oder die richtige Positionierung im Level. Da die Gegner dazu neigen den Spieler einzukesseln kann ein übersehener Gang schon das Ende bedeuten, im direkten Kugelhagel überlebt man nur wenige Sekunden, egal wie viel Gesundsheits- und Rüstungspunkte man auf dem Konto hat. Einfach ist das Spiel nicht, im der Vergleich zu anderen, modernen Shooter ist es ein gutes Stück schwerer.

Screenshot: Altar in einer unterirdischen Ruine.
Die okkulten Elemente erleben ein Comeback.

Generell hat sich wenig geändert gegenüber dem Vorgänger, aber da es vor vornherein als Erweiterung dazu angekündigt wurde ist das auch keine Überraschung. Rückschritten gegenüber dem großen Spiel muss es dann aber doch hinnehmen, nicht nur bei der Spielzeit, was erwartet war: Die Levels bewegen sich zwar auf dem selben, sehr hohen Qualitätsniveau wie zuvor, es fehlt ihnen aber vor allem an optischer Abwechslung. Das ist zum einen darin geschuldet dass man sich nur in einer Zeit-Periode bewegt, aber auch allgemein fehlt es an Abwechslung: auch die schönsten Burggemäumer werden irgendwann langweilig, Ausflüge zum Mond oder ähnliches fehlen komplett. Dafür gibt es neue Albtraumlevels, diesesmal in jedem der neun Kapitel eines, welche der ersten Episode von Wolfenstein 3D entsprechend – natürlich mit den selben Änderungen wie in The New Order: alle verfassungsfeindlichen Symboliken und Bilder wurden ausgetauscht – u.a. durch ein an ein Erdmännchen erinnerndes Emblem.

Screenshot: Retro-Albtraum Level
Die Albtraumlevels sind auch zurück – mit einem pro Kapitel.

Was die Waffen angeht ist noch mehr Standard angesagt als zuvor: da wegen der Zeitperiode die einzig halbwegs innovative Waffe von The New Order, das Laserkraftwerk, fehlt ist man mit dem unterwegs, was man kennt: Pistole, Sturmgewehr, Schrotflinte – alles schon gesehen. Die einzige wirkliche Neuerung und heimlicher Star das Spiel ist B.J. Blazkowicz‘ Rohr. Also nicht das was man jetzt denken könnte, sondern ein metallisches, welches man schon früh um Spiel findet und als Allzweckwaffe fungiert: Gegner können wohl in der zusammengeschraubten Form als Zweihandwaffe erledigt werden, also auch in der Variante mit zwei Teilen, für jede Hand einen am Ende natürlich angespitzt, wie bei Rohren ja üblich. In letzterer Form kann man auch vorgegebene Wände hochklettern, was leider etwas übertrieben oft eingesetzt wird und dazu wenig spaßig ist: abwechselnd die Maustasten drücken und halten ist eher was für Konsolen mit den Triggern des Controllers, interessanter dürfte es aber auch dort nicht sein.

Screenshot: Die größte Neuerung und heimlicher Hauptdarsteller: ein Rohr.
Die größte Neuerung und heimlicher Hauptdarsteller: ein Rohr.

Upgrades für die Waffen und unterschiedliche Munition fehlen ebenso wie nützliche Perks (Vorteile genannt), welche alle über einen gewissen Anzahl an geforderten Abschüssen freigeschaltet werden: x Gegner mit dem Sturmgewehr umgehauen, y mit der Schrotflinte, z im Akimbo-Modus, usw. Die Belohnung schlägt sich meistens in Form von besseren Zahlenwerten wie Munitionskapazität oder Überladungskapazität von Gesundsheits- und Rüstungspunkten nieder, nichts was die Spielweise beeinflusst. Auch bei den Gegnern ist wenig Abwechslung angesagt, die meisten der Regime-Soldaten kennt man schon aus den 1948er-Abschnitte von The New Order, wirklich neue sind mir keine aufgefallen. Wobei: zum Schluss gibt es Regime-Zombies! OK sie sehen anders aus, aber es sind immer noch Zombies – der einfallsloseste Gegnertyp aller Zeiten, keine Persönlichkeit oder Motive, einfach nur töten. Immerhin: die zwei Bossfights des Spiels sind nicht nur knackig sondern bringen auch Abwechslung ins Spiel, auch wenn sie beidem vom Konzept her nicht ganz neu sind. Größter Feind sind dort der wenige Raum und mangelnde Deckungsmöglichkeiten: ausweichen und draufhalten lautet die Devise.

Screenshot: Zum Ende hin wird es düster - inkl. Zombies die vom Himmel fallen.
Zum Ende hin wird es düster – inkl. Zombies die vom Himmel fallen.

Schon The New Order legte großen Wert auf die Story und auch hier zeigt The Old Blood seine beste Seite. Das Spiel spielt zeitlich vor The New Order – und damit meine ich direkt davor. Ohne zuviel zu verraten: Die Endsequenz schließt nahtlos an das Intro von The New Order an. Und das hat auch seinen Grund: in The Old Blood ist es das Ziel die Lage von General Totenkopfs (warum man ihn von Der Schädel aus RTCW umbenannt hat ist mir schleierhaft, hat meiner Meinung nach eine bessere Wirkung) Geheimbasis ausfindig zu machen. Die Kampagne ist dazu zweigeteilt: erst nimmt man es mit Rudi Jäger und seinem Wolfsrudel auf, um sich dann um Helga von Schabbs zu kümmern, welche Ausgrabungen unter der Burg Wolfenstein durchführt. Die Namenskombination kommt mir dabei etwas seltsam vor: soll es eine Anspielung auf Doktor Schabbs aus Wolfenstein 3D sein oder Helga von Bülow/Braun aus Return to Castle Wolfenstein? Oder gar beides? Als ob die Zeitlinien nicht schon verwirrend genug sind…

Screenshot: Kessler und Annette sind die wenigen neuen Charaktere im Spiel.
Kessler und Annette sind die wenigen neuen Charaktere im Spiel.

Immerhin verzichtet The Old Blood auf die Story-Verwirrungen des Vorgängers, insgesamt ist die Story nicht so komplex und größtenteils frei von B-Movie Elementen. Stattdessen erzählt das Spiel eine durch und durch tragische bis traurige Geschichte, stehts untermahlt von passender Musik. Vorbei sind auch die Zeiten der 60er Jahre Propaganda-Musik aus The New Order, auch wenn diese dem Spiel etwas mehr Flair verliehen haben – der geänderte Grundtenor ist da aber kein Beinbruch, da er konsequent durchgezogen wird gefällt es mir in dieser Hinsicht besser als The New Order. Charaktere gibt nur sehr wenige, die beiden anderen Geheimagenten bleiben recht blass, auch wenn man etwas über ihre Vorgeschichte mit Blazkowicz erfährt. Mit Kessler gibt ein alter Bekannter aus Return to Castle Wolfenstein ein Comeback, zumindest scheint es so. Ob er der gleiche Charakter ist wie nie geklärt. Die Sprecher dazu sind alle passend gewählt und vertonen ihre Charaktere sehr gut. Schön ist auch dass es viele zumindest mir unbekannte Sprecher sind: häufig sind es doch meist die gleichen, die man trotz teils verstellter Stimme doch schnelle erkennt. Wie Helga von Schabbs gibt es viele Referenzen zu RtCW, allein schon der grobe Ablauf und das Setting (eher Okkult statt Cyborgs) erinnern mehr daran als an The New Order. Die Interaktion mit den wenigen, anderen Charakteren wirkt noch genauso emotional wie in The New Order, aber ohne die lächerlichen Szenen: Blazkowicz wird nicht mehr zum Botenjungen degradiert sondern beleibt die ganze Zeit der Supersoldat und auch die peinlichen Sex-Szene wurden gestrichen – die hätten in den Grundtenor der Story auch noch weniger gepasst wie zu The New Order.
Als Bonus gibt es noch den Herausforderungsmodus oben drauf, welcher aber etwas deplaziert wirkt. Hierbei spielt einen Abschnitt eines Levels aus dem Spiel und geht auf Punktejagd: jeder Abschuss bringt Punkte, in schneller Reihenfolge bringen Bonuspunkte und Kopfschüsse sowieso. Das ganze ist so spannend wie es klingt: das gleiche Level, die gleichen Gegner, nur eben auf Zeit und Punkte. Nichts was ich wirklich brauche, die dazugehörigen Achievements und Rangliste motivieren mich auch nicht wirklich.

Wolfenstein – The Old Blood ist eine sehr gute Erweiterung für The New Order, die wenig falsch macht. Technisch ist sie auf dem gleichen Niveau, die Story gefällt mir einen Tick besser da sie konsistenter ist, dafür fehlt es an Abwechslung in der Umgebungen und beim Gameplay gibt es auch wenig neues. Das macht aber nichts, es ist immernoch ein solider Shooter der alten Schulen. Wer The New Order mochte wird mit The Old Blood wenig falsch machen.