Die Wolfenstein-Spiele wurde nicht nur in Deutschland kontrovers diskutiert. Waren die ersten Teile noch eines der ersten Schleichspiele auf dem Apple 2 und andere Computer dieser Ära, hat id Sofware 1992 mit der Lizenz ein ganz anderes Spiel gemacht: schnell, blutig und kompromisslos – zusammen mit Doom wurde es zu einer der Blaupausen für Ego-Shooter für viele Jahre. Die späteren Spiele wurden nicht mehr von id Software selber entwickelt, hielten sich aber größtenteils an die Formel: schnelle Action wie man es aus den frühen Tagen der Ego-Shooter gewohnt war kombiniert mit obskuren Ideen. Der letzte Teil, entwickelt von Raven Software, wich etwas davon ab indem er eher wie ein moderne Shooter der Marke Call-of-Duty-Battlefield gespielt wurde und mehr Wert auf die Geschichte und Charaktere legte, hielt andere Tugenden der Spiele aber hoch: obskure Elemente wie Mutanten, Super-Soldaten und übernatürliche Phänomene – ein B-Movie zum mitspielen.
Nach diesem bisher letzten Serienteil von 2009, welcher vor allem kein Kommerzieller Erfolg war, wurde es ruhig um die Serie. Bis Bethesda etwas überraschend einen neuen Teil ankündigt, basierend auf der id Tech 5 die sonst nur in Rage zum Einsatz kam und vom neuen schwedischen Entwickler MachineGames entwickelt wurde, welcher von Veteranen von StarBreeze gegründet wurde (Enclave, Riddick-Spiele, Syndicate-Shooter-Reboot). Die Entwickler versprachen ein klassisches Spiel im Geiste der Vorgänger aber mit großem Fokus auf die Story. Als Fan von Old-School-Shootern konnte ich mir das Spiel natürlich nicht entgehen lassen, auch wenn ich etwas skeptisch bin ob der vielen Versprechungen und dass der Reboot von Syndicate nicht unbedingt gut an kam, sowohl bei Kritikern als auch bei Fans.
Gerade in den Außenbereichen lässt die Engine ihre Muskeln spielen – Stellen wie diese sehen aus wie gemalt.
Da der technische Unterbau von den ehemaligen Grafik-Göttern von id Software kommt könnte man auf eine entsprechend gut aussehendes Spiel sorgen, was es auch tut: Wolfenstein – The New Order sieht sehr gut aus, die Levels sind mit viel Liebe zum Detail gestaltet und mit guten Texturen überzogen. Die Welt wirkt nicht so statisch wie in Rage, dafür leidet das Spiel unter einem ähnlichen Problem: die Megatexuture-Technologie ist sehr gut in offenen Flächen da es kaum Wiederholungen der Texturen gibt und ein sehr organisches Bild ergibt. In Innenräumen, eigentlich bisher eine stärke der texanischen Technologien, sieht man vor allem an den Details Limitierungen: im Hauptquartier der Widerstandskämpfer sieht man allerlei Utensilien auf den Tischen (Stifte, Papier, etc), die sind aber nur Textur und es fällt ohne genaueres Hinsehen auf. Absicht kann das wohl kaum sein, das dürfte den Limitierungen der Engine geschuldet sein. In den meisten anderen Räumen kommt das weniger zur Geltung und bei der schnellen Action achtet man nicht so auf Details. Generell sieht das Spiel sehr gut aus, wenn auch teilweise etwas steril und leer – was aber wohl Absicht ist, die Architektur des Regimes ist eher auf Effektivität ausgelegt. Offene Gegenden wie in Rage sieht man leider selten, die meiste Zeit ist man in Innenräumen unterwegs. Das Spiel ist generell linear ausgelegt und bietet keine halb-offene Welt wie Rage. Zu einer der Neuerungen zählen dünne Bleche, welche nur kurzfristig Deckung bieten – sowohl für den Spieler als auch die Gegner – durch genügend Beschuss werden sie zerstört, ebenso wie einiger der Betonpfeiler und Vorsprünge, das ist aber leider nicht konsequent umgesetzt, unzerstörbare Teile gibt es noch genug. Die Animationen der Charaktere können größtenteils überzeugen, nur die Mimik wirkt etwas steif. Zur Atmosphäre tragen Effekte wie Feuer, sprühende Funkten und Neben/Staub bei, welche alle sehr gut umgesetzt sind.
London ist nur einer der abwechslungsreichen Schauplätze – auch wenn die Innenarchitektur meist eher steril-langweilig ist.
Die Levels sind generell linear angelegt, alternative Routen gibt es kaum und weitläufig sind sie auch nicht, hier bietet z.b. Shadow Warrior (2013) breiter angelegt Levels. Das dürfte auch dem Umstand geschuldet sein dass man sich die meiste Zeit in Innenräumen aufhält, Bunkeranlagen und Gefängnisse sind auch in der realen Welt nicht so ausladend gebaut. Einen mittelschweren Schock hat mir des Prolog-Kapitel verpasst, welches komplett linear und durchgeskripted ist – unschöne Erinnerungen an den Einzelspieler von Battlefield 3 wurden wach. Hat man ein etwas offeneres Stück erreicht darf man nur schnurstracks geradeaus laufen, ansonsten wird man direkt getötet – ich hasse sowas. Glücklicherweise bleibt das nicht so, spätere Level haben zwar auch Skriptsequenzen, aber bei weitem nicht in diesem Umfang und es gibt auch keine Instant-Death Sequenzen mehr.
An der Sound-Front kann sich das Spiel auch sehen lassen. Die Effekte krachen auch in Stereo, die Musik unterstützt die Atmosphäre und die deutschen Sprecher sind durch die Bank sehr gut gewählt und machen auch einen guten Job. Leider sind die Dialoge nicht sehr lippensynchron und die Mimik wirkt etwas steif, da hat man in anderen Spielen schon besseres gesehen, gerade in storylastigen Rollenspielen wie Mass Effect oder im Altmeister Half-Life 2. Der Sound ist insgesamt schlecht abgemischt und das lässt sich auch nicht ändern: das Options-Menü hält nur einen Slider für die Lautstärke parat, keine getrennten für Musik, Effekte, Dialoge, usw. Da gehen gerade Dialoge öfters in der Musik und im Lärm unter, was nicht nur ob ihrer Qualität schade ist sondern sich auch aufs Spiel auswirkt: in einem Bosskampf gibt einem ein Mitstreiter per Funk Tipps wie man ihn besiegt, im Lärm der Explosionen hab ich das aber kaum mit bekommen und der Kampf hat sich unnötig in die Länge gezogen.
An der Gameplay-Front gibt es eine handfeste Überraschung: dass es sich im Kern wie ein klassischer Shooter spielt ist keine Überraschung. Dass es sich aber auch als Schleichspiel gut macht überrascht mich dann doch stark. Wenige Spiele bekommen den Spagat richtig hin, entweder ist nur eine Varianten praktisch möglich(siehe BioShock Infinite: Burial at the Sea Episode 2) oder es gehen zwar beide, aber eine Varianten wird stark bevorzugt (Deus Ex 3). Das gerade mit Wolfenstein – The New Order ein Spiel dessen Serie eigentlich eher für die Haudrauf-Schiene bekannt ist hinkriegt ist eine handfeste Überraschung. Begünstigt wird das ganze durch das vereinfachte Schleich-System im Gegensatz zu z.b. Burial at the Sea Episode 2 für BioShock Innfinte. Die Gegner sind nur bedingt aufmerksam, wenn man nicht direkt vor ihnen steht bemerken sie einen nicht, auf größere Distanz kann man direkt im Sichtfeld stehen und auch das Fehlen von Kameraden oder deren Leichen auf dem Boden stört sie nicht wirklich (Gilt alles für den mittleren Schwierigkeitsgrad, gut möglich dass sie auf höheren Graden aufmerksamer sind). Das ist leider auch Situationsabhängig, an einigen Stellen (speziell im U-Boot) schlägt die KI schon Alarm und schießt bevor sie mich überhaupt sehen kann. Meistens ist man aber sicher solange man schleicht und nur das Messer und die schallgedämpfte Pistole benutzt. Ist man aber mal entdeckt ist es kein Beinbruch wie noch in einem der Vorgänger, bei der das Level dann sofort beendet wird. Stattdessen eröffnen die Soldaten das Feuer und die Kommandanten schlagen Alarm. Schaltet man letztere nicht schnell genug aus erscheinen mehr Gegner, mehr passiert aber nicht. Generell macht die KI zwar wenig falsch, aber herausragend ist sie auch nicht – mehr als hinter Deckung verkriechen und evtl. ein Einkreisversuch (je nach Levelarchitektur) ist nicht drin.
Das Level-Design unterstützt sowohl das gewaltsamen oder leise Vorgehen: wer auf leisen Sohlen schleicht wird viel Zeit in Lüftungsschächten und Seitengänge verbringen, die Patrouillenwege der Gegner beobachten und vor allem mit dem Messer oder der schallgedämpften Pistole agieren. Aber wer will das schon wenn man mit Akimbo-Shotguns quer durch die Gegner schnetzeln kann? Ich nicht, wobei die direkte Variante auch das Risiko birgt schnell das zeitliche zu segnen, da die Gegner ordentlich treffen und speziell im späteren Spiel gut gepanzert sind und viele Treffer aushalten. Deckung zu suchen (wobei das Spiel kein Deckungssystem wie Mass Effect hat) und sich richtig zu positinieren kann den Unterschied zwischen scheitern, gerade so überleben und keinen Kratzer abbekommen machen. Die Gegner spawnen nicht nach, es kann aber vor kommen dass durch Skripte einen neue Ladung Gegner erscheint, teilweise an ungünstigen Orten, z.b. direkt neben dem Spieler – hier hilft es nur zu wissen was passieren wird und im Zweifelsfall neu zu laden. Man kann jedes bereits gespielte Kapitel neu starten oder im aktuellen Level den letzten Checkpoint neu laden, welche häufig und fair gesetzt sind – man verliert nie mehr als ein Gefecht.
Das Laserkraftwerk ist die einzige halbwegs innovative Waffe: Schüsse können vom Boden und Wänden abprallen.
Das Waffenarsenal ist einer der Schwachpunkte das Spiels: Messer, Pistole und Sturmgewehr kennt man aus allen Serienteilen, Schrotflinten und Scharfschützengewehre sind Standard. Neu ist das Laserkraftwerk, kurz LKW, was sich aber als eine Art Railgun entpuppt und vor allem gegen die schwer gepanzerten Gegner und Roboter später im Spiel sehr effektiv ist, zumal es keine eigene Munition braucht sondern sich selbst wieder auflädt oder schneller an Ladestation unbegrenzt oft aufladen lässt. Alle Waffen lassen sich modifizieren, das Messer kann man werfen (gut um leise Gegner auszuschalten ohne direkt daneben zu stehen, man beachte aber die Physik), die Pistole kann mit einem Schalldämpfer ausgerüstet werden, die Shotguns können mit Munition bestückt werden welche an den Wänden abprallt (ähnlich der Flak-Cannon aus Unreal Tournament), das Sturmgewehr bekommt einen optionalen Raketenwerfer (!!!) daran geschraubt und das Scharfschützengewehr kann alternativ fast wie ein Maschinengewehr genutzt werden, verbraucht dann Energie. Mit Batterie läuft auch das LKW, welches die meisten Modifikationen bekommt und am flexibelsten ist: Eine Art Scharfschützenmodus markiert im Zoom die empfindlichen Stellen des Gegners und trifft sie automatisch, Schüsse können abprallen und Gegner treffen und zu guter letzt kann es auch noch als Schneidbrenner verwendet werden um dünne Bleche und Zäune auf zu schneiden – das wird vor allem die Schleichfraktion freuen, da hier oft neue Wege und Boni versteckt sind. Pistolen, Sturmgewehre, Shotguns und Scharfschützengewehre können auch im Akimbo-Stil genutzt werden, sofern man über zwei Exemplare verfügt. Das ist vor allem nützlich für die ganz dicken Gegner, für die meisten ist es aber unnötig und verschwendet Munition. Diese findet man in den Levels und bei erledigten Gegner, es nervt aber dass man jedes Paket einzeln aufsammeln muss, eine Sammelfunktion zum aufnehmen aller Teile in der näheren Umgebung wie in Borderlands 2 wäre sehr praktisch.
Auch die Auswahl der Gegner ist nicht überragend, hier haben vorherige Teile mehr Abwechslung geboten. Die meiste Zeit hat man es mit den normalen Soldaten des Regimes zu tun, gut erkannbar an ihre komplett schwarzen Uniformen mit roten Akzenten und den Stahlhelmen und sind mit einem Sturmgewehr bewaffnet. Kommandanten rufen Verstärkung wenn man entdeckt wird und sie nicht rechtzeitig ausschaltet, sie sind aber nur leicht gepanzert und tragen nur eine Pistole – sie zu erreichen ist die größere Herausforderung. Stark gepanzert und gut erkennbar an ihren beigen Rüstungen sind die schweren Soldaten, die mit Shotguns oder Raketenwerfern agieren. Die vertragen recht viele Treffer und können auch noch gut austeilen, das LKW mit Zielupgrade ist hier die beste Lösung, verbraucht aber auch viel Energie – mehr als zwei Schüsse direkt nacheinander ist meistens nicht drin. Als Nebeneffekt kann man auch nahe stehende andere Gegner ausschalten sofern sie von der Zielautomatik erfasst werden. Soweit, so Standard, aber was hat Wolfenstein – The New Order an obskuren Gegner zu bieten? Vor allem halb- und vollmechanischens: fliegenden Drohnen, schwere Roboter mit Miniguns und zahlreiche Hybride aus Technik und Lebewesen wie stark gepanzerte und äußerst aggressive Hunde und Super-Soldaten aus den Laboren von General Totenkopf. Insgesamt ist die Auswahl an Gegner-Typen recht mager, überwiegend hat man es mit den normalen Regime-Schwergen zu tun, deren Uniformen der Umgebung entsprechend etwas variieren – auf das Gameplay hat das aber keine Auswirkung.
Eine Neuerung ist das „Vorteile“-System (hier ist die Übersetzung etwas verunglückt, gemeint sind passive Perks), welches passive Fähigkeiten bringt und freigeschalten werden müssen. Dafür braucht es keine Erfahrungspunkte, sondern es müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden, die im Zusammenhang mit dem Spielstil stehen: im Schleichbaum wird ungesehenes ausschalten der Gegner belohnt mit Fähigkeiten die das Unterstützen (schneller schleichen, mehr Wurfmesser tragen), der Taktikbaum belohnt Abschüsse aus der Deckung und sorgt vor allem für größere Magazine, der Angriffssbaum belohnt Akimbo-Abschüsse und der Explosiv-Baum dreht sich um Granaten und den Raketenwerfer. Ansonsten hält sich das Spiel an klassische Shooter-Tugenden: Lebenspunkte regenerieren zwar, aber nur sehr begrenzt (bis zum nächsten 20er Schritt, hat man weniger als 20 bis dahin, zwischen 20 bis 40 bis 40, usw), darüber hinaus braucht man Items wie Erste-Hilfe-Kits, Essen, Getränke oder Hundefutter – ganz wie im ersten Ableger von id Software. Es gibt theoretisch kein Limit, überschreitet man aber seine normale Kapazität sinken die Lebenspunkte sehr schnell auf diese herunter – das Spiel nennt das Medi-Schock und ist vor allem praktisch wenn ein großer Kampf ansteht. Allerdings hat man dann den Nachteil dass evtl. am Ende nichts mehr übrig ist und da der Überschuss schnell verschwindet habe ich mir eher angewöhnt nicht damit zu spielen. Das Limit kann mit seltenen und gut versteckten Items erhöht werden. Rüstung gibt es auch, die ist immer auf 100 Punkte begrenzt, als Rüstung dienen Helme, Westen und sogar Teile von Roboter – wie das gehen soll ist mir schleierhaft, aber praktisch ist es. Die Kapazität kann nicht erhöht werden, mit gut verstecken Rüstungs-Upgrades kann die Anzahl der Punkte, die man von jedem Rüstungsteil bekommt erhöht werden. Weitere, sammelbare Gegenstände wie Gold, Schallplatten und Briefe haben keinen Einfluss auf das Gameplay sondern dienen nur der Vertiefung der Story und Atmosphäre. Zuletzt gibt es noch die Enigma-Codes, mit welchen man zusätzliche Spielmodi freischalten kann: wer will nicht mit 999 Lebenspunkten und eben soviel Munition für alle Waffen durch die Gegner schnetzeln? Die Codes sind teilweise sehr gut versteckt, generell belohnt das Spiel Erkundungstouren in den Levels, zumal Zeitbegrenzungen meist nur vorgegaukelt sind, man kann sich Zeit lassen egal was die NPCs sagen. Hat man in einem Abschnitt alle Gegner ausgeschaltet hat man dazu auch Zeit. Alle gefundenen Upgrades und freigeschalteten Vorteile bleiben auch beim starten eines anderen Kapitels oder neuen Spiels erhalten (außer bei den zusätzlichen Spielmodi), was einen erneuten Durchlauf um einiges vereinfacht.
Die Charaktere sind kein Musterbeispiel für besonders tiefe und komplexe Personen, erfüllen aber ihren Zweck die Story voran zu treiben.
Wolfenstein – The New Order wurde als „First Person Action Adventure“ angekündigt, der Begriff Ego-Shooter wurde von den Verantwortlichen immer gemieden. Dass auf die Story und die Inszenierung großen Wert gelegt wurde ist offensichtlich, aber hält sie auch sein Versprechen deutlich erwachsener zu sein? Nur so halb. Auf der einen Seite gibt es viele sehr ernste Elemente, speziell die Monologe, die der Held BJ Blazkowicz immer wieder vor sich hin murmelt und seine Träume zeichnen ein ganz anderes Bild wie die vorherigen Teile: BJ wirkt ein wenig deplatziert in der Welt von 1960, wie ein Relikt aus Zeiten in denen es nur Krieg gab und hadert mit seinem Wunsch nach einem normalen Leben und der Einsicht, dass es nichts anders als Kämpfen kann. Dazu die morbiden Spielchen von General Wilhelm „Totenkopf“ Strasse, bekannt aus älteren Teilen und primärer Gegenspieler, welcher großen Gefallen daran findet wehrlose Menschen für seine Experimente zu quälen. Dabei schreckt das Spiel nicht vor drastischen Gewaltdarstellungen zurück, es erinnert teilweise ein wenig an Szenen aus Quake 4, wenn auch weniger dreckig sondern eher in klinisch reinen Umgebungen. Das Spiel definitiv nichts für Kinder und hat die „Keine Jugendfreigabe“ der USK mehr als verdient. Der zweite Antagonist ist Frau Engel, eine unterwürfige Anhängerin des Regimes, welche vor allem als brutale Leiterin eines Arbeiterlagers auftritt. Da sie abseits ihres Fanatismus blass bleibt ist sie ähnlich eindimensional wie Totenkopf selbst, komplexe Charaktere hat aber auch niemand erwartet. So weit so ernst, wo ist das Problem? Ganz seinen B-Movie-Wurzeln entwächst das Spiel nicht, es gibt einige witzige bis lächerliche Szene, vor allem zu Beginn als ein Kamerad einen Panzerhund ablenkt indem er eine Stielgranate wie ein Stöckchen wirft, welches prompt vom von dem mechanischen Ungetüm mit dem Maul gefangen wird und darin explodiert. Solche Szenen brechen mit der ernsten Atmosphäre und liefern am Ende ein geteiltes Bild ab: will das Spiel eine ernste Geschichte erzählen oder will es einen abgehobene, von Klischees durchsetzte Geschichte die niemand ernst nimmt bieten? Manchmal habe ich den Eindruck das ersteres der Fall ist, aber die Autoren nicht richtig wussten wie sie das zustande bringen und dann in Klischees verfallen. Unterm Strich bleibt so nichts halbes und nichts ganzes übrig, was mich dann doch etwas enttäuscht hat. Ich hätte mit beiden Seiten kein Problem gehabt, aber man hätte sich auf eine einigen müssen und diese dann durchziehen.
Die beiden Zeitlinien bieten keine großen Unterschiede, am meisten noch bei den Minispielen: Ein Schloss knacken oder eine Schaltung kurzschließen?
Aber das ist nicht das einzige, was zwei Seiten hat: die Story spaltet sich schon zu beginn in zwei „Zeitlinien“ auf, wie es das Spiel nennt. Man muss sich am Ende des Prolog-Kapitels, welches noch im Jahr 1946 spielt, der Rest in 1960 wenn das Regim den Krieg gewonnen hat und die Welt beherrscht, zwischen zwei Kameraden entscheiden: der eine überlebt, der andere wird für Totenkopfs Experimente eingesetzt. Je nach dem wer überlebt ändern sich Details an der Geschichte, am gewichtigsten dürften das Minispiel zum knacken von Schlössern und die gefundenen Extras sein: in der Fergus-Zeitlinie muss man Schaltungen Kurzschließen und findet alle Health-Upgrades während in der Wyatt-Zeitlinie man Schlösser mit Dietrichen knackt und Rüstungs-Upgrades findet. Mein Tipp: zuerst Fergus spielen da die Health-Upgrades wichtiger sind. Ansonsten ändert sich nur die Flucht aus dem Gefängnis und welche zusätzlichen Mitstreiter man im Hauptquartier des Wiesenauer Widerstands findet, der Nachfolger des Wiesenauer Kreises aus dem direkten Vorgänger. Einen merklichen Unterschied macht es aber nicht, die Gesamtstory bleibt gleich, nur einige Zwischensequenzen ändern sich oder sind komplett unterschiedlich. Auch die anderen Mitstreiter interagieren nicht mit diesen Kameraden und nicht unterschiedlich, je nach dem wen man gerettet hat. An die Marketingverspechen von wegen „zwei komplett unterschiedliche Spiele“ habe ich nie gelaubt, etwas mehr hätte ich dann schon erwartet. Die anderen Charaktere rund um Anführerin Caroline Becker bleiben alle eher blass, große Tiefe in den Charakteren darf man nicht erwarten – aber wer hat das ernsthaft erwartet?
Das Spiel versucht eine ernste Geschichte zu erzählen, aber wenn ein Panzerhund eine Granate mit dem Maul fängt kommt man sich eher lächerlich vor.
Einige Kapitel der insgesamt knapp elf-stündigen Kampagne (einmal komplett durch mit einer Zeitlinie) spielen nur im Hauptquartier des Widerstandes und hier wird es wieder etwas lächerlich: der ansonsten als Super-Soldat gezeigt Blazkowicz, der zahllose Kugeln und Messerstiche überlebt ohne groß mit der Wimper zu zucken, kurz nachdem er von einem starken Beruhigungsmittel ausgenockt wurde ganz selbstverständlich eine Räuberleiter für seine Kameraden bereitstellt und es mit Soldaten und Robotern des Regimes zu Hauf‘ aufnimmt als wäre nichts gewesen wird zum Botenjungen degradiert: hol mir ein Dokument aus dem Archiv, besorge mir ein Stück schimmligen Zement oder einen Schweißgerät. Ganz so einfach ist es aber meistens nicht, wie es der Zufall will landet der Held in der umliegenden Kanalisation und darf sich wieder mit Gegner auseinandersetzten, die natürlich das Nest der Widerstandskämpfer nicht finden. Diese Abschnitte machen aber nur sehr wenig Spaß, haben wenig Sinn und dienen wohl eher zur Streckung der Spielzeit.
Ein Wort muss noch zur Version gesagt werden: wie erwartet ist die deutsche Version von Wolfenstein – The New Order wurde gegenüber der Internationalen verändert: sämtliche Referenzen auf das Dritte Reich und alle dazugehörigen Symboliken wurden ausgetauscht, da das zeigen von ihnen in Deutschland generell nicht erlaubt ist, bis auf Ausnahmen zu denen Computer- und Videospiele (noch) nicht gehören. Das Prinzip ist ähnlich wie bei den beiden Vorgängern, bei denen das gleiche gemacht wurde. Ein großer Unterschied ist dass The New Order auf dem PC auf Steam aktiviert werden muss und das in Deutschland mit den internationalen Version nicht geht und sie auch gar nicht gestartet werden kann (die Sperre für Österreich und die Schweiz wurden mittlerweile aufgehoben). Mich haben diese Änderungen in den Vorgängern schon nicht sonderlich gestört, da sie nichts am Gameplay ändern und die Atmosphäre für mich nicht groß beeinträchtigt wird. Totalitäre Regime gibt es zu Hauf in anderen Spielen, da müssen es nicht zwingend Nazis sein, die man bekämpft – zumal sie häufig die Vorlage dafür bilden. Puristen, die jedes Spiel in der Originalversion spielen wollen werden damit aber nicht glücklich und müssen auf eine der Konsolenversionen zurückgreifen, wenn sie das Spiel legal im Original spielen möchten. Ansonsten wurden am Spiel keine Schnitte vorgenommen, der Gewaltgrad ist identisch zur internationalen Version und alles andere als ohne – in Kinderhände gehört das Spiel auf keinen Fall.
Fazit: Wolfenstein – The New Order wurde größtenteils so, wie ich es erwartet hatte. Das Gameplay ist klassisch, aber es halten auch ein paar kleine Modernisierungen Einzug, welche dem Spiel gut tun und die Möglichkeit zu Schleichen hat mich positiv überrascht. Die Levels sind schön gestaltet und bieten genug Abwechslung, was auf die Waffen und den Gegner leider nicht zutrifft. Grafisch gibt es nur kleine Abzüge in der B-Note durch fehlenden Details und manche Ecken, die schlecht aussehen, am Sound kann ich nur aussetzten dass es keine getrennten Audio-Slider gibt. Die im Vorfeld groß angekündigte Story weiß leider nicht so recht ob sie ernst oder wie in einem B-Movie sein will und ist am Ende keines von beiden richtig. Das Spiel ist vielleicht kein Meisterwerk, Freunde klassischer Ego-Shooter dürfte damit aber nichts falsch machen.